10 - Der Traumflug
Infos zu und mit Veranstaltern, aber auch zu anderen Themen,
über die es sich lohnt zu sprechen!
über die es sich lohnt zu sprechen!
Dem kann ich mich nur anschliessen ...Blumenthal hat geschrieben:Großes Kino...


Dieser Bericht sowie der vom Läusering sind nach langer Zeit endlich wieder mal HighLights im Forum, die locker in der Liga der legendären alten Berichte (Pann-Jura- Kein Bericht

Weiter so

Part IV: "das Rennen" (edit: der andere Titel hat imho zuviel vorweg genommen;-)
Als die ersten Moppeds Richtung Boxenausfahrt rollten, joggte Werner noch kurz ein letztes Mal zum Klo, sein seit jeher ganz persönliches Deeskalationsritual, dann machte auch er sich fertig. Nun galt es also. Kein Weg mehr zurück. Werner rollte langsam in die Startaufstellung, Nicos Platz blieb leer und sorgte für ein paar nachdenkliche Sekunden bei unserem tragischen Helden. Freie Sicht nach vorn. Der Motor bekam eine letzte Ruhepause, um die Temperatur unten zu halten. Ruhe. Werner war allein und suchte seine Konzentration. So nervös wie heute war er seit Ewigkeiten nicht mehr. Er ging seine persönliche Checkliste noch mal kurz durch: Speed ok, Mopped ok, Wetter ok, Visier ok, Nerven na ja. Er zwang sich, seinen Kopf zu leeren, nur das Jetzt und Hier darf zählen, absolute Konzentration auf den einen Punkt, sämtliche Alltagsgedanken müssen jetzt raus. Ein Blick auf die noch schweigende Ampelanlage beruhigt. Komm schon, es ist wie immer, nur keine Panik, du kannst es, vertrau dir, bitte.
Der Fahnenmann wird langsam nervös und schaut fragend auf seine Linienrichter im hinteren Feld, anscheinend alles sortiert. Gentlemen, start your engines, please. Blickkontakt mit dem Fahnenmann, er nickt kurz mit ernstem Blick, deutet mit seinen linken Zeigefinger auf die erste Reihe. Die Fahne fällt und die ersten Drei stechen an ihm vorbei. Werner sortiert sich als Dritter ein, kein Problem, es ist nur der Vorstart, niemals legt man dabei alle Karten auf den Tisch. Auch die anderen beiden lassen die erste Runde langsam angehen, jeder weiß, dass es nur das Vorspiel ist. Werner lässt seinen Blick weit voraus schweifen, atmet tief ein, die Augen sind weit geöffnet, die Gedanken klar. Ja, heute könnte es gehen. Durch die Schikane noch ein letztes Mal genussvoll auf die Gegengerade rausbeschleunigen, locker durch die Shell Esses wedeln, Werner’s heimliche Lieblingskurve, dann zweimal rechts rum und schon taucht die Startanlage wieder vor einem auf. Werner hat seine Konzentration gefunden. Tunnelblick. An seinem Startplatz angekommen verharrt der Blick auf der Ampel, noch schweigt sie. In den Augenwinkeln deutet der Fahnenmann nach oben. Was für eine Macht diese Ampel hat. Alles hört auf ihr Kommando. Eine Glühbirne mit roter Scheibe davor, nicht mehr, nicht weniger. Werner versucht sie zu spüren, eins mit ihr zu werden, so wie es ihm einst von ObiWanBundy gelehrt wurde. Endlich leuchtet sie auf. Werner durchbohrt sie mit seinen Blicken, heute gilts, kein Gentlemenstart, heute wird zurückgeschossen. Die erste Kurve gehört Werner, sonst niemanden, das ist Fakt. Die Ampel hat keine Chance, heute ist Werner schneller als sie. Er spürt wie der kleine Elektrodenstrom langsam versiegt, nur noch Millisekunden bis der Wolframdraht in der Lampe nicht mehr genügend Energie bekommt, um zu leuchten. Die Ampel ist aus, sie weiß es nur noch nicht. Der Polemann lässt die Drehzahl auf ca. 3.000U/min steigen und kuppelt blind ein. Als die Kupplung den Kraftschluss findet, erlischt der letzte Funken hinter der roten Streuscheibe, AUS. Niemand hält ihn jetzt noch auf.
Mit leicht erhobenen Vorderrad erhebt sich der Donnervogel gegen all die Statisten, die hinter ihm stehen, nur er und die erste Kurve zählen. Niemand ist im Augenwinkel auszumachen, die Strecke gehört nur ihm. Spät, viel später als beim Vorstart greifen die frischen Bremsbeläge wimmernd ins Metall. Längst ist er unter der Brücke hindurch geflogen. Mit wehendem Knie wischt der Führende durch die schnelle Links, um direkt danach in die langgezogene Rechts umzulegen. Werner ist auf der letzten Rille. Heute werden keine Gefangenen gemacht. Der Peace-Knopf ist abgeklebt, keine Chance, ihn zu drücken. Ab der ersten Kurve voll. Werner war Richter Gnade(nlos). Sollen die Reifen mal zeigen, was sie können. Normen wäre begeistert. Volle Konzentration auf das Mopped. „Komm schon, spür sie, fühl sie“ brüllt sich Werner selbst an. Aus der Hasseröder geht’s in leichtem Powerwheelie raus, das passt. Spätestens jetzt war klar, dieser Start war perfekt, ja irgendwie würdig für den Anlass. Werner hatte sie alle, aber auch wirklich alle eingetütet. Leck mich fett, das war GEIL! Die Triplelinks fliegt heran, Werner sollte bremsen, aber er lässt ein paar Meter länger stehen. Alles oder nix. Werner weiß, dass da hinten der Jensemann durchs Feld pflügt mit nur einem einzigen Ziel. Er will ihn. Scheiß auf Peacemodus, wenn Jens es könnte, er würde ihn herbrennen, genauso wie es Herr Gnade tun würde. Alles andere wäre Kinderkacke und nicht normal. Wir sind hier nicht beim Kindergeburtstag. Werner muss Meter machen, dass ist seine einzige Chance einem direkten Fight zu entgehen. Selbst bei Startplatz 40 wird der Jäger max. 5 Runden brauchen, um sich frei zu schwimmen. Diese fünf Runden entscheiden das Rennen. Wenn Werner genug Luft rausfährt ist der Sack zu, dann kann ihn niemand mehr schlagen, nur noch er selbst. Werner hängt sich rein, holt alles aus seinen Schläuchen und fliegt um den Kurs. Die erste schnelle Runde nach dem Start ist gleich eine 34,4 was neue persönliche Bestzeit bedeutet, so klappt das auch mit der Nachbarin. Nur noch halten, alles wird gut. Bloß keine Fehler machen. Immer auf die aktuelle Situation fokussiert, nicht vorausdenken, immer beim Mopped bleiben.
Der K2 tut derweil, was er immer tut. Er klebt, nein er verbeißt sich mit dem Asphalt. Werner hat grenzenloses Vertrauen in dieses Teil. Die beiden sind ein gutes Team, der Pilot spürt den Reifen, kriecht in ihn bei jedem Rausbeschleunigen hinein. An der absoluten Haftgrenze entlang schießt er den Boliden aus Kurve um Kurve in eine erdnahe Umlaufbahn. Das ist so geil, geiler geht’s gar nicht.
Immer noch freie Sicht nach vorn. So viele Führungskilometer hatte Werner seit Ewigkeiten nicht mehr. Auch wenn er es nicht will, die Gedanken schweifen immer wieder ab. Die Nervosität kriecht unmerklich empor, mit aller Macht stemmt sich unser Zünder dagegen, versucht seine Gedanken beim Mopped zu lassen. Trotz eigentlich gutem Gefühl sinken die Rundenzeiten langsam. 34,7...34,9... Die fünfte Runde beginnt und Werner versucht, zu pushen. Eingangs Start/Ziel hatte er sich kurz halbherzig nach rechts umgedreht, konnte aber niemanden entdecken oder hören. So war das völlig sinnlos, weil er nur schräg nach hinten schaute. In seinem toten Winkel hätten sich sämtliche apokalypischen Reiter gleichzeitig verstecken können, fück. Werner hatte eine ausgeprägte Umdreh-Phobie, seit ihm vor langer Zeit bei einer ähnlichen Situation das Visier wegflog. Die Gedanken fingen an zu kreisen. „Boxentafel wäre toll, ein Königreich für eine Boxentafel. Wie weit bin ich wohl voraus, wo ist dieser SausackpilleJensemann? Der ist schnell, verdammt schnell. Er wird dich kriegen, wenn du hier in der Nase bohrst, halt die 34er Zeiten, du MUSST die Zeiten halten...“ Die aufkeimende Panik unterdrückte Werner und legte alles in die nächsten Kurven. Seine Lieblingsecke nach der Gegengeraden kam näher. Mit vollem Einsatz warf der den Boliden in die Rechts, hielt das Mopped weit rechts und legte wie während der Speedweek schon unzählige Mal geübt unnachahmlich in die Links um. Keiner stand ihm im Weg, das Privileg des Führenden. Wie immer hatte er ein breites Grinsen auf den Lippen, als der Bolide leicht tänzelnd unter vollen Segeln durch den Scheitelpunkt stürmte. Gekonnt holte Werner für die folgende Rechts aus und ließ die K5 brutal schnell durch diese Ecke laufen, volle Konzentration auf das Vorderrad, die Kurve hängt. Diese Runde war gut, so gut, dass kleine 33er Blasen in Werners Kopf umherwuselten. Das könnte sie sein, die 33er, noch eine Kurve, nur noch eine Kurve. Die Front sank spät ein, Werner wählte eine spitze Linie, um schnell wieder aufs Gas gehen zu können, perfekt. Ultraspät auf der Bremse und extrem abwinkeln. Nur ganz kurz in maximaler Schräglage, zog Werner das Mopped schon wieder hoch und legte das Gas brutal an. In seinen Gedanken sah er sie schon, die Ziellinie, das wird ne 33er Runde, dass war mal klar.
Die Drosselklappen fast auf Anschlag, die Runde schon abgehakt, leuchtete plötzlich eine kleine rote Warnlampe im Cockpit auf. „Traction out of control, beware of possible highsiders“ stand darunter. Werner sah sie nicht, seine Gedanken hatten sich vom Mopped gelöst, viel zu sicher war er sich beim K2. Wie konnte man nur so dämlich sein! Unter ihm rutschte das Mopped quer, nein es explodierte vielmehr wie instabiles NitroGlyzerin hinfort. Noch bevor das Kontrollzentrum von #45 überhaupt Notiz vom drohenden Untergang nahm, war alles zu spät. Als endlich der Befehl zum sofortigen Gasschließen an der rechten Hand ankam, war die K5 unwiederbringlich verloren. Zu quer stand sie im Wind. Sie würde untergehen. Werner wusste es.
Unkontrollierbar schleuderte die K5 im nächsten Augenblick wütend zurück. Sie war böse, als wollte sie sagen „Was tust du da, warum tust du mir das an?“ Werner flutschte rechts über den Tank, willenlos wie eine Jolle bei Windstärke 12. Der Orkan brach los. Mit ohnmächtiger Leere war Werner zum Zuschauer verdammt. In seinem Kopf herrschte blankes Chaos, Wortfetzen prallten in seinen Hirnwindungen hin und her. „Was zur Hölle...Nein.. halt...ich.... warum... Stopp... NEEEEEEIIIIIIN!“. Erste Steinschläge wurden am Helm registriert, keine Ahnung, wo die Boden-Boden Rakete gerade war. Dann ging es durch den Kies. Werner schloss die Augen, er wollte es nicht sehen. Eine halbe Ewigkeit später kam er zum Liegen, noch immer stumme Flüche auf den Lippen, die nicht begreifen konnten, was gerade passiert. Endlich besann er sich, checkte seine Knochen. Alles ok, hoch mit dir. Nichts tat weh, alles konnte bewegt werden, wo ist meine Kleine? Da vorne lag sie. Unter Tonnen von Kies hatte sie sich auf die rechte Seite gelegt. Ein Streckenposten war da und half beim Hochheben. Bitte lass sie noch fahrbereit sein, bitte, bitte, bitte. Auspuff platt, egal, kann man mit fahren, Fußraste noch 2cm lang, reicht, Fußbremshebel weg, egal, braucht kein Mensch, rechter Stummel hängt bedenklich, könnte noch gehen, Handbremshebel übel verbogen, geht niemals...GEHT NIEMALS, SO EINE SCHEISSE!!! Die Hoffnung stirbt zuletzt, Werner begrub sie.
Der Streckenposten murmelte was von „Das war jetzt aber nicht wirklich nötig, oder? Alles ok mit Ihnen?“ Werner stand im Kies und konnte es einfach nicht fassen. Sein Blick fiel auf den RaceControl-Tower. Greenpeace-Aktivisten seilten sich gerade ab und entrollten riesige Plakate, auf denen „Du bist zu doof“ stand. Das Multifunktionscockpit der K5 spuckte ein „Du bist zu doof“ Fax nach dem anderen aus, auf den gegenüberliegenden Tribünen wedelten junge Cheerleader mit „Du bist zu doof“ Fahnen. Der Boxenlautsprecher krächzte „Du bist zu doof“.
Mit hängendem Kopf holte Werner einen alten Bundeswehr-Klappspaten aus dem Heckfach seiner K5 und begann zu buddeln. Als das Loch groß genug war, verschwand Werner und ward nie wieder gesehen. Noch Jahre später erzählten sich die alten Hasen der Boxengasse die Geschichte von Herrn Zweimann: Der Legende nach wurde er wenige Monate nach dem Rennen in China gesichtet, als er sich in einem Reisfeld aus dem Boden buddelte. In seiner Hand ein völlig abgewetzter BW-Spaten. Kurz darauf berichtete die 88jährige Oma Piepenbrink aus Uhlenbusch von einem außergewöhnlichen Erlebnis. Sie befand sich gerade auf Pauschalurlaub auf einer kleinen griechischen Insel, als aus einer vorbeifliegenden DHL-Frachtmaschine jemand per Fallschirm absprang und direkt im Garten von Costas Polopoulous und seiner lieblichen Tochter Penelope landete. Das irre an der Sache war, dass der Unbekannte nur mit einem verschlissenen „Ich bin zu doof“ T-Shirt bekleidet war.
Die Jahre gingen ins Land, der T-Shirt Träger hatte tiefe Freundschaft mit Kostas und Penelope geschlossen. Er besoff sich jeden Abend mit billigem Weinverschnitt gemixt mit Lidl-Cola und spielte dazu „Mensch ärgere dich nicht“ mit Kostas und seiner traumhaft schönen Tochter. Niemals gewann er dieses Spiel, immer wurde er nur Zweiter, Penelope tröstete ihn so gut sie konnte. Eines Abends hatte der Unbekannte mal wieder drei seiner Spielfiguren sicher im Haus. Seine letzte Figur stand direkt vorm Haus, eine einzige gewürfelte „1“ fehlte ihm noch und er hätte gewonnen. Nachdem er 34x hintereinander eine „2“ gewürfelt hatte, machte Costas den Sack zu und gewann das Spiel. Daraufhin stand der Unbekannte auf, trank den letzten Schluck Korea, wie er sein Getränk nannte und ging wortlos hinaus in die Fluten des griechischen Ozeans. Als letztes versank auch sein Kopf mit dem wenigen Haupthaar. Es war das letzte, was man jemals von ihm hörte...
Gute Nacht
45
Als die ersten Moppeds Richtung Boxenausfahrt rollten, joggte Werner noch kurz ein letztes Mal zum Klo, sein seit jeher ganz persönliches Deeskalationsritual, dann machte auch er sich fertig. Nun galt es also. Kein Weg mehr zurück. Werner rollte langsam in die Startaufstellung, Nicos Platz blieb leer und sorgte für ein paar nachdenkliche Sekunden bei unserem tragischen Helden. Freie Sicht nach vorn. Der Motor bekam eine letzte Ruhepause, um die Temperatur unten zu halten. Ruhe. Werner war allein und suchte seine Konzentration. So nervös wie heute war er seit Ewigkeiten nicht mehr. Er ging seine persönliche Checkliste noch mal kurz durch: Speed ok, Mopped ok, Wetter ok, Visier ok, Nerven na ja. Er zwang sich, seinen Kopf zu leeren, nur das Jetzt und Hier darf zählen, absolute Konzentration auf den einen Punkt, sämtliche Alltagsgedanken müssen jetzt raus. Ein Blick auf die noch schweigende Ampelanlage beruhigt. Komm schon, es ist wie immer, nur keine Panik, du kannst es, vertrau dir, bitte.
Der Fahnenmann wird langsam nervös und schaut fragend auf seine Linienrichter im hinteren Feld, anscheinend alles sortiert. Gentlemen, start your engines, please. Blickkontakt mit dem Fahnenmann, er nickt kurz mit ernstem Blick, deutet mit seinen linken Zeigefinger auf die erste Reihe. Die Fahne fällt und die ersten Drei stechen an ihm vorbei. Werner sortiert sich als Dritter ein, kein Problem, es ist nur der Vorstart, niemals legt man dabei alle Karten auf den Tisch. Auch die anderen beiden lassen die erste Runde langsam angehen, jeder weiß, dass es nur das Vorspiel ist. Werner lässt seinen Blick weit voraus schweifen, atmet tief ein, die Augen sind weit geöffnet, die Gedanken klar. Ja, heute könnte es gehen. Durch die Schikane noch ein letztes Mal genussvoll auf die Gegengerade rausbeschleunigen, locker durch die Shell Esses wedeln, Werner’s heimliche Lieblingskurve, dann zweimal rechts rum und schon taucht die Startanlage wieder vor einem auf. Werner hat seine Konzentration gefunden. Tunnelblick. An seinem Startplatz angekommen verharrt der Blick auf der Ampel, noch schweigt sie. In den Augenwinkeln deutet der Fahnenmann nach oben. Was für eine Macht diese Ampel hat. Alles hört auf ihr Kommando. Eine Glühbirne mit roter Scheibe davor, nicht mehr, nicht weniger. Werner versucht sie zu spüren, eins mit ihr zu werden, so wie es ihm einst von ObiWanBundy gelehrt wurde. Endlich leuchtet sie auf. Werner durchbohrt sie mit seinen Blicken, heute gilts, kein Gentlemenstart, heute wird zurückgeschossen. Die erste Kurve gehört Werner, sonst niemanden, das ist Fakt. Die Ampel hat keine Chance, heute ist Werner schneller als sie. Er spürt wie der kleine Elektrodenstrom langsam versiegt, nur noch Millisekunden bis der Wolframdraht in der Lampe nicht mehr genügend Energie bekommt, um zu leuchten. Die Ampel ist aus, sie weiß es nur noch nicht. Der Polemann lässt die Drehzahl auf ca. 3.000U/min steigen und kuppelt blind ein. Als die Kupplung den Kraftschluss findet, erlischt der letzte Funken hinter der roten Streuscheibe, AUS. Niemand hält ihn jetzt noch auf.
Mit leicht erhobenen Vorderrad erhebt sich der Donnervogel gegen all die Statisten, die hinter ihm stehen, nur er und die erste Kurve zählen. Niemand ist im Augenwinkel auszumachen, die Strecke gehört nur ihm. Spät, viel später als beim Vorstart greifen die frischen Bremsbeläge wimmernd ins Metall. Längst ist er unter der Brücke hindurch geflogen. Mit wehendem Knie wischt der Führende durch die schnelle Links, um direkt danach in die langgezogene Rechts umzulegen. Werner ist auf der letzten Rille. Heute werden keine Gefangenen gemacht. Der Peace-Knopf ist abgeklebt, keine Chance, ihn zu drücken. Ab der ersten Kurve voll. Werner war Richter Gnade(nlos). Sollen die Reifen mal zeigen, was sie können. Normen wäre begeistert. Volle Konzentration auf das Mopped. „Komm schon, spür sie, fühl sie“ brüllt sich Werner selbst an. Aus der Hasseröder geht’s in leichtem Powerwheelie raus, das passt. Spätestens jetzt war klar, dieser Start war perfekt, ja irgendwie würdig für den Anlass. Werner hatte sie alle, aber auch wirklich alle eingetütet. Leck mich fett, das war GEIL! Die Triplelinks fliegt heran, Werner sollte bremsen, aber er lässt ein paar Meter länger stehen. Alles oder nix. Werner weiß, dass da hinten der Jensemann durchs Feld pflügt mit nur einem einzigen Ziel. Er will ihn. Scheiß auf Peacemodus, wenn Jens es könnte, er würde ihn herbrennen, genauso wie es Herr Gnade tun würde. Alles andere wäre Kinderkacke und nicht normal. Wir sind hier nicht beim Kindergeburtstag. Werner muss Meter machen, dass ist seine einzige Chance einem direkten Fight zu entgehen. Selbst bei Startplatz 40 wird der Jäger max. 5 Runden brauchen, um sich frei zu schwimmen. Diese fünf Runden entscheiden das Rennen. Wenn Werner genug Luft rausfährt ist der Sack zu, dann kann ihn niemand mehr schlagen, nur noch er selbst. Werner hängt sich rein, holt alles aus seinen Schläuchen und fliegt um den Kurs. Die erste schnelle Runde nach dem Start ist gleich eine 34,4 was neue persönliche Bestzeit bedeutet, so klappt das auch mit der Nachbarin. Nur noch halten, alles wird gut. Bloß keine Fehler machen. Immer auf die aktuelle Situation fokussiert, nicht vorausdenken, immer beim Mopped bleiben.
Der K2 tut derweil, was er immer tut. Er klebt, nein er verbeißt sich mit dem Asphalt. Werner hat grenzenloses Vertrauen in dieses Teil. Die beiden sind ein gutes Team, der Pilot spürt den Reifen, kriecht in ihn bei jedem Rausbeschleunigen hinein. An der absoluten Haftgrenze entlang schießt er den Boliden aus Kurve um Kurve in eine erdnahe Umlaufbahn. Das ist so geil, geiler geht’s gar nicht.
Immer noch freie Sicht nach vorn. So viele Führungskilometer hatte Werner seit Ewigkeiten nicht mehr. Auch wenn er es nicht will, die Gedanken schweifen immer wieder ab. Die Nervosität kriecht unmerklich empor, mit aller Macht stemmt sich unser Zünder dagegen, versucht seine Gedanken beim Mopped zu lassen. Trotz eigentlich gutem Gefühl sinken die Rundenzeiten langsam. 34,7...34,9... Die fünfte Runde beginnt und Werner versucht, zu pushen. Eingangs Start/Ziel hatte er sich kurz halbherzig nach rechts umgedreht, konnte aber niemanden entdecken oder hören. So war das völlig sinnlos, weil er nur schräg nach hinten schaute. In seinem toten Winkel hätten sich sämtliche apokalypischen Reiter gleichzeitig verstecken können, fück. Werner hatte eine ausgeprägte Umdreh-Phobie, seit ihm vor langer Zeit bei einer ähnlichen Situation das Visier wegflog. Die Gedanken fingen an zu kreisen. „Boxentafel wäre toll, ein Königreich für eine Boxentafel. Wie weit bin ich wohl voraus, wo ist dieser SausackpilleJensemann? Der ist schnell, verdammt schnell. Er wird dich kriegen, wenn du hier in der Nase bohrst, halt die 34er Zeiten, du MUSST die Zeiten halten...“ Die aufkeimende Panik unterdrückte Werner und legte alles in die nächsten Kurven. Seine Lieblingsecke nach der Gegengeraden kam näher. Mit vollem Einsatz warf der den Boliden in die Rechts, hielt das Mopped weit rechts und legte wie während der Speedweek schon unzählige Mal geübt unnachahmlich in die Links um. Keiner stand ihm im Weg, das Privileg des Führenden. Wie immer hatte er ein breites Grinsen auf den Lippen, als der Bolide leicht tänzelnd unter vollen Segeln durch den Scheitelpunkt stürmte. Gekonnt holte Werner für die folgende Rechts aus und ließ die K5 brutal schnell durch diese Ecke laufen, volle Konzentration auf das Vorderrad, die Kurve hängt. Diese Runde war gut, so gut, dass kleine 33er Blasen in Werners Kopf umherwuselten. Das könnte sie sein, die 33er, noch eine Kurve, nur noch eine Kurve. Die Front sank spät ein, Werner wählte eine spitze Linie, um schnell wieder aufs Gas gehen zu können, perfekt. Ultraspät auf der Bremse und extrem abwinkeln. Nur ganz kurz in maximaler Schräglage, zog Werner das Mopped schon wieder hoch und legte das Gas brutal an. In seinen Gedanken sah er sie schon, die Ziellinie, das wird ne 33er Runde, dass war mal klar.
Die Drosselklappen fast auf Anschlag, die Runde schon abgehakt, leuchtete plötzlich eine kleine rote Warnlampe im Cockpit auf. „Traction out of control, beware of possible highsiders“ stand darunter. Werner sah sie nicht, seine Gedanken hatten sich vom Mopped gelöst, viel zu sicher war er sich beim K2. Wie konnte man nur so dämlich sein! Unter ihm rutschte das Mopped quer, nein es explodierte vielmehr wie instabiles NitroGlyzerin hinfort. Noch bevor das Kontrollzentrum von #45 überhaupt Notiz vom drohenden Untergang nahm, war alles zu spät. Als endlich der Befehl zum sofortigen Gasschließen an der rechten Hand ankam, war die K5 unwiederbringlich verloren. Zu quer stand sie im Wind. Sie würde untergehen. Werner wusste es.
Unkontrollierbar schleuderte die K5 im nächsten Augenblick wütend zurück. Sie war böse, als wollte sie sagen „Was tust du da, warum tust du mir das an?“ Werner flutschte rechts über den Tank, willenlos wie eine Jolle bei Windstärke 12. Der Orkan brach los. Mit ohnmächtiger Leere war Werner zum Zuschauer verdammt. In seinem Kopf herrschte blankes Chaos, Wortfetzen prallten in seinen Hirnwindungen hin und her. „Was zur Hölle...Nein.. halt...ich.... warum... Stopp... NEEEEEEIIIIIIN!“. Erste Steinschläge wurden am Helm registriert, keine Ahnung, wo die Boden-Boden Rakete gerade war. Dann ging es durch den Kies. Werner schloss die Augen, er wollte es nicht sehen. Eine halbe Ewigkeit später kam er zum Liegen, noch immer stumme Flüche auf den Lippen, die nicht begreifen konnten, was gerade passiert. Endlich besann er sich, checkte seine Knochen. Alles ok, hoch mit dir. Nichts tat weh, alles konnte bewegt werden, wo ist meine Kleine? Da vorne lag sie. Unter Tonnen von Kies hatte sie sich auf die rechte Seite gelegt. Ein Streckenposten war da und half beim Hochheben. Bitte lass sie noch fahrbereit sein, bitte, bitte, bitte. Auspuff platt, egal, kann man mit fahren, Fußraste noch 2cm lang, reicht, Fußbremshebel weg, egal, braucht kein Mensch, rechter Stummel hängt bedenklich, könnte noch gehen, Handbremshebel übel verbogen, geht niemals...GEHT NIEMALS, SO EINE SCHEISSE!!! Die Hoffnung stirbt zuletzt, Werner begrub sie.
Der Streckenposten murmelte was von „Das war jetzt aber nicht wirklich nötig, oder? Alles ok mit Ihnen?“ Werner stand im Kies und konnte es einfach nicht fassen. Sein Blick fiel auf den RaceControl-Tower. Greenpeace-Aktivisten seilten sich gerade ab und entrollten riesige Plakate, auf denen „Du bist zu doof“ stand. Das Multifunktionscockpit der K5 spuckte ein „Du bist zu doof“ Fax nach dem anderen aus, auf den gegenüberliegenden Tribünen wedelten junge Cheerleader mit „Du bist zu doof“ Fahnen. Der Boxenlautsprecher krächzte „Du bist zu doof“.
Mit hängendem Kopf holte Werner einen alten Bundeswehr-Klappspaten aus dem Heckfach seiner K5 und begann zu buddeln. Als das Loch groß genug war, verschwand Werner und ward nie wieder gesehen. Noch Jahre später erzählten sich die alten Hasen der Boxengasse die Geschichte von Herrn Zweimann: Der Legende nach wurde er wenige Monate nach dem Rennen in China gesichtet, als er sich in einem Reisfeld aus dem Boden buddelte. In seiner Hand ein völlig abgewetzter BW-Spaten. Kurz darauf berichtete die 88jährige Oma Piepenbrink aus Uhlenbusch von einem außergewöhnlichen Erlebnis. Sie befand sich gerade auf Pauschalurlaub auf einer kleinen griechischen Insel, als aus einer vorbeifliegenden DHL-Frachtmaschine jemand per Fallschirm absprang und direkt im Garten von Costas Polopoulous und seiner lieblichen Tochter Penelope landete. Das irre an der Sache war, dass der Unbekannte nur mit einem verschlissenen „Ich bin zu doof“ T-Shirt bekleidet war.
Die Jahre gingen ins Land, der T-Shirt Träger hatte tiefe Freundschaft mit Kostas und Penelope geschlossen. Er besoff sich jeden Abend mit billigem Weinverschnitt gemixt mit Lidl-Cola und spielte dazu „Mensch ärgere dich nicht“ mit Kostas und seiner traumhaft schönen Tochter. Niemals gewann er dieses Spiel, immer wurde er nur Zweiter, Penelope tröstete ihn so gut sie konnte. Eines Abends hatte der Unbekannte mal wieder drei seiner Spielfiguren sicher im Haus. Seine letzte Figur stand direkt vorm Haus, eine einzige gewürfelte „1“ fehlte ihm noch und er hätte gewonnen. Nachdem er 34x hintereinander eine „2“ gewürfelt hatte, machte Costas den Sack zu und gewann das Spiel. Daraufhin stand der Unbekannte auf, trank den letzten Schluck Korea, wie er sein Getränk nannte und ging wortlos hinaus in die Fluten des griechischen Ozeans. Als letztes versank auch sein Kopf mit dem wenigen Haupthaar. Es war das letzte, was man jemals von ihm hörte...
Gute Nacht
45
Zuletzt geändert von Hajo am Samstag 9. Juni 2007, 10:56, insgesamt 1-mal geändert.
- SP-12 Harry Offline
- Beiträge: 4002
- Registriert: Freitag 19. Mai 2006, 16:59
- Wohnort: Overath
- Kontaktdaten:
Oft waren es im Sport die ewigen Zweiten die zu Sympathiträgern wurden und von denen man noch Jahre später anerkennend sprach weil sie es doch immer und immer wieder probiert hatten!
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Was aber nichts daran ändert, dass du zu doof bist, Hajo!!!

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Was aber nichts daran ändert, dass du zu doof bist, Hajo!!!



Gruss Harry , die Comeback-Schlampe
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www.harald-hartung.com
"Vier Räder transportieren deinen Körper - Zwei Räder deine Seele!" (geklaut!)
____________
www.harald-hartung.com
"Vier Räder transportieren deinen Körper - Zwei Räder deine Seele!" (geklaut!)
@Ulli
...es ist noch nicht zu Ende

edith sagt:
@Mäddie
Werner ist nicht dick

...es ist noch nicht zu Ende



edith sagt:
@Mäddie
Werner ist nicht dick


Zuletzt geändert von Hajo am Samstag 9. Juni 2007, 09:31, insgesamt 1-mal geändert.
hast Du eigentlich je erfahren wie groß Dein Vorsprung war?
Sehr schön geschrieben





Sehr schön geschrieben

Faltpavillons und Fahrerlager-Zelte: http://www.race-tent.de
Mails bitte zurzeit an Johnek75@gmx.de (Kontakt Funktion auf der HP funktioniert nicht immer). Wenn innerhalb von 2 Tagen keine Antwort, bitte kurz anrufen (0173-2655169)
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