Wer ist das überhaupt, dieser Motor-räid oder Motor-raid, oder wie das auch immer heißen soll.

Ist ja nicht ganz so wichtig, Hauptsache ich habe einen Zettel, auf dem steht, dass mich Circuito Almeria und Cartagena herzlich eingeladen haben. Ob das alles gut geht? Seit Tagen warten wir auf die offizielle Absage des britischen Untermieters, weil ja jetzt die Briten nicht mal mehr Flugzeuge benutzen sollen.
Nichts. Nicht am Mittwoch, nicht am Donnerstag und schon gar nicht am Freitag.
Den Opa, der schon einige Wochen zuvor bei jeder Gelegenheit anmerkte, dass es ja nichts mehr werden würde mit Spanien, haben wir uns schon gar nicht mehr getraut, anzusprechen. Entsprechend herb-säuerlich die Reaktion auf "Andrea bringt morgen die Kinder vorbei, und am Samstag fahren wir los."
Wir fahren also los. Der einzige Unterschied zu März. Wir fahren wirklich los. Die emotionale Achterbahn zwischen "lass mich zufrieden mit dem Stress" und "au, das wird geil" war ungefähr dieselbe - kaum erträglich. Und es war wirklich, bis auf die Rastenanlage, alles für die R6 rechtzeitig da. Sogar die "neuen" Außenspiegel für den Skoda, der eigentlich schon längst weg sein sollte. Das muss Karma sein. Ich glaube fest daran. Es kann mir nicht immer nur Unglück passieren.

Ich gehe noch schnell die Reise-Einkaufsliste durch. Und die Quarantäne-Einkaufsliste. Normalerweise hätte ich alles wie immer morgens vor der Arbeit nach der Muckibude eingekauft. Seit Frau Merkel nicht mehr will, dass ich mich dorthin bewege, läuft das nicht mehr so früh und unbemerkt. So einen peinlichen Weltuntergangseinkaufswagen möchte ich wirklich nicht öffentlich manövrieren.

Schnell die letzten Teams-Besprechungen, bei der Chefin ab- und beim Kollegen die Vertretung anmelden. Ein halber Arbeitstag ist schnell vorbei. Sachen packen. Kindersachen, Mopedsachen, Mitnehmsel für die Reise. Dann fährt auch schon das Auto vor, frisch gewaschen und getankt. Schnell einpacken und ab auf die Bahn. Fühlt sich merkwürdig an. Bei dem ganzen "closer together" war mir gar nicht bewusst, dass dies der erste Urlaub für alle vier werden sollte. Urlaub von andauerndem Servicepersonaldasein und auf der anderen Seite Urlaub vom ständigen Erzogenwerden. Oh, ja, das wird geil, denke ich mir. Au, wie böse, denke ich mir kurz danach. Ach, egal, die Kleinen haben sich das wirklich einmal verdient.

Kindergästebett bezogen, Klamotten eingeräumt, Buch vorgelesen. Shit, schon 18:30, das wird wohl nichts mit früh schlafen heute. Endlich gegen 19 Uhr die offizielle Übergabe an den Opa. Ich sehe zu, dass ich vom Hof rolle. An der Kreuzung blinke ich links und fahre dann doch rechts. Besser, ich teile meinen Endzeiteinkauf auf. Einige Minuten und gefühlte tausend Toastbrötchen, Snackfrikadellen und Kaffeegetränke später bin ich auf dem Heimweg. Nochmal richtig ausschlafen, Pustekuchen! Morgen früh ist Teil zwei der Einkäufe dran.
Also lasse ich mich aus dem Bett piepen und starte meine Runde. Heute wird gemütlich losgefahren. Schließlich nützte es noch nie viel, ab 18 Uhr Einlass zu haben, aber schon um 15 Uhr vor dem Tor zu kampieren. Andererseits - an einem Samstagnachmittag einmal durch Deutschland? Wie viele Staus würden wir treffen? Nicht, dass wir am Ende in der spanischen Sperrstunde unterwegs sein müssen. Etwa acht Stunden später ist klar: es gibt heute keine Staus in Deutschland. Eigentlich schön, wenn es nicht so traurig wäre. Noch weitere zwei Stunden später ist klar: wir müssen nicht an der französischen Grenze umdrehen. Es interessiert sich niemand für den Transitverkehr.
Also weiter. Bresser Hühnchen, Lyoner Geschlängel, Sonnenaufgang bei Montpellier. Pyrenäen hinter grünem Licht. Die Schranke öffent sich. Das war die letzte französische Mautstation. Unsere Einladung nach Spanien möchte niemand kontrollieren. Etwa 900 staubige Kilometer weiter sind wir uns einig. So weit fahren wir nicht noch einmal.
Es ist bei unserer Ankunft schon dunkel, und wir sind recht fertig. Vom Fahrersitz steigt mir "ich krieg keinen guten Platz im Fahrerlager"-Nervosität entgegen. Es wird hektisch. Henning muss ganz doll sofort alles in die Box laden und vermisst ebenso ganz doll eine Kabeltrommel. Eine halbe Stunde später bin ich ausreichend belehrt, dass ein Kabelroller keine Kabeltrommel sei, und dass, wenn ich meine, eine Kabeltrommel im Anhänger zu haben, auch eine drin sein müsse und eben nicht nur ein Kabelroller. Das geht ja gut los, denke ich. Wir haben wir das nur früher hinbekommen, so ganz ohne tausend Spezialkabelroller, - trommeln und Gedöns

Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Aber etwas macht mich traurig. Ich habe noch nie ein so einsames Fahrerlager gesehen. Motorraid oder -räid, das muss ich wohl bei Gelegenheit noch klären. Gestern war dafür keine Gelegenheit.
