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Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

Infos zu und mit Veranstaltern, aber auch zu anderen Themen,
über die es sich lohnt zu sprechen!

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Wir brachten mehr Zeit im Laden zu als gedacht und fanden mal wieder nicht das, was wir als "Frühstück" sinnvoll fanden. Willkommen im Land von Dolci per prima Colazione! Süßkram, Kekse und Fertigkuchen - ein einfaches Croissant oder Brioche - nicht zu kriegen. In der Nähe von Misano war zumindest ein Lidl mit Standardbackwerk aus der Bake-off-Station. Hier aber war man kulturell voll integriert. Die Kindschaft hatte mittlerweile Kohldampf und der Conad City glücklicherweise Kleinpackungen Eis mit "Löffel". Egal, was da kein Löffel war, Hauptsache man hatte ein Werkzeug für das Eis.

Wegen der Kalorien und so ließen wir das Auto stehen. Jetzt hatte ich langsam Kohldampf. Eingeweihte wissen, dass das nicht nur suboptimale Laune bedeutete, sondern auch extremen Futterneid und völligen Bestellkontrollverlust. Anstelle eine Rückfrage zu stellen, nickte ich nur, als der Kellner "tre porzioni?" fragte und hatte nach sehr kurzer Wartezeit eine Riesenplatte Bruschetta der allerfeinsten Art neben mir stehen. Es hätte für zwölf als Vorspeise gereicht. Und niemand mochte so richtig Tomaten, außer mir.

Oh, je, auf mich wartete noch eine Riesenportion Tortellini alla Panna und da war noch das Ragù mit Spaghetti, was der Jan vielleicht auch nicht aufessen würde. Und Leas Pizza, die bekam sie sonst auch nie ganz weggemampft. Die konnte man zumindest mitnehmen. Ich hoffte, dass wir etwas von den Nudeln dem Henning unterschieben konnten, dem sein Limonenschnitzel vielleicht nicht ganz so munden würde.

Schweren Herzens ließ ich einige der Bruschetta zurückgehen. Es brachte mich fast um, so gutes Essen einfach nicht zu essen. Es ging nicht. Da stand schon die Schale Tortellini und wollte gegessen werden.

Nach einigen Runden Teller Tauschen war fast alles aufgegessen, und wir hatten alle den oberen Füllstandsmelder erreicht. Den Weg zum Auto gingen wir etwas gemütlicher, was mir Zeit gab, nicht nur das Essen sondern auch Gedanken zu verarbeiten. Es war meine letzte Saison. Und hierher wollte ich nicht mehr fahren. Ich hätte die ganze Speisekarte bestellen können, um für die nächsten Jahre vorzusorgen. "Zum Mitnehmen, bitte!" Und dann? Einfrieren? Transport, Lagerung, alles witzlos. Das Einzige, was blieb, war die Aussicht, einfach nur Urlaub zu machen. Irgendwo in Italien.

Wieder am Anhänger angekommen, war der gesellige Abend nebenan schon wieder voll im Gange. Was soll's. Ich würde eh nicht schlafen. Vollgestopft mit Bruschetta und Tortellini und Spaghetti und Pizza war es nicht nur der Knoblauch, der für die Schlaflosigkeit sorgte. Mir war soooo warm und ich war soooo vollgestopft. Zum ersten Mal freute ich mich heute Abend darüber, dass es sowieso kein Frühstück gab. Hunger bekäme ich wohl bis zur nächsten Mittagspause nicht.
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen italienischer Tenor.

Es schallte zum zweiten Mal Lokalmusik über den weitläufigen Platz. Falls sich irgendwann mal jemand über mangelnde Infrastruktur am Circuito de Mugello beschweren wollte, über die Lautsprecheranlage gäbe es nichts zu mäkeln.

Abermals froh, dass noch Schatten auf meine Sitzecke und das kleine Gelbe schien, ging ich mit dem Becher Kaffee in der Hand noch einmal die Punkte durch, die sich durch das Liegen auf dem Kopfkissen (ob ich geschlafen habe, weiß ich immer noch nicht) in meinem Gehirn verfestigt hatten. Nicht weit von mir saß ein kleiner Jan und baumelte mit den Beinen. Ein Frühaufsteher. "Der Arme", dachte ich, "jetzt schon immer so wach und nie Pause". Ich wusste nur zu gut, was es bedeutete, den Tag am frühen Morgen zu beginnen und die Arbeit vor der Pause zu erledigen. Ich wünschte sehr, dass er nicht auch in ein permanentes Dauer-An rutschte. Lea konnte das nicht passieren. Die lag noch immer drinnen und versuchte zu schlafen.

Also heute alles wie gestern, nur schneller. As simple as that.

Turn 1 brachte eine 2:15.

Turn 2 - 2;14.

Turn 3 - 2,14 - knapp keine 2:13

Die Mittagspause brachte einen vollen Autotank, Frühstück und Proviant und Eis, dass sich schnell in Kinderhände verteilte und im Gefrierfach bis morgen liegen sollte. Für die Einkaufenden in Borgo San Lorenzo brachte es ein wundersames Spektakel, war ich doch in meinem Unteranzug, nur mit kurzer Hose und Top darüber unterwegs. Und für die Autofahrer brachte es wohl die eine oder andere Überraschung. Mit meinen Kontaktlinsen konnte ich so gar nichts sehen. Auf der Strecke, gerade auf dieser breiten, ging es gerade noch. Aber auch hier merkte ich, dass die Grenzen des Möglichen langsam erreicht waren. Anstelle die Belüftung des Helms zu öffnen, je wärmer es wurde, verschloss ich nach und nach alles, um den trockenen Luftzug zu begrenzen.

Und dann überkam mich doch die Müdigkeit. Ich wollte gern schlafen, aber daran war nicht zu denken. Ein tiefer Schlaf hätte den ganzen Nachmittag ruiniert. Ich entschied mich also dazu, vor mich hin zu sumseln und ein bißchen zu dösen. Es war doch wärmer als gestern. Zum Kopf-Hand-Tuch kam alle zwanzig Minuten Wasser auf Arme und Gesicht zu verteilen. Und eine extra große Dosis vor dem Anziehen für Turn 5.

Als der Helm endlich ab war, war ich nicht so überzeugt, dass ich groß etwas geleistet hatte. Und es stimmte. Ich hing an der 2:14 fest. Also nochmal: Rechtsabbiegepfeil, ja-haaaa, aber doch nicht wie blöd bis auf 20 Meter davor raufglotzen wie doof! Ich wusste, was das Problem war, aber es dauerte lange, sich davon zu überzeugen, einfach einzulenken und den Berg runter zu fahren. Und immer wieder war ich mit den Augen auf dem blöden Schild hängengeblieben. Du gucke - du fahre. As simple as that.

Turn 6 bestand dann endlich aus einigen 2:13ern und einer 2:12. Etappenziel erreicht.

Ich war so zufrieden, dass es endlich in die richtige Richtung gegangen war, dass ich fast vergessen hatte, dass wir morgen nach Ende der Veranstaltung schon abreisen wollten. Nein, morgen keine Pizza. Und Jan, wenn du unbedingt die Strecke mit dem Fahrrad bewältigen möchtest, dann muss es heute sein. In dieser Konstellation würden wir vermutlich nicht noch einmal hier sein. Man musste alle Chancen nutzen. Einmal noch Tagliata di Manzo.

Ich träumte schon vor mich hin, von diesem Gericht vorzüglicher Qualität, was ich da heute Abend verspeisen wollte. Und dann schoss es mir in dem Kopf "Wo ist Jan?" Der Kleine war noch immer nicht zurück von seiner Sreckenrundfahrt. Ich malte mir schon aus, in welcher Kurve der Arme blutend und weinend lag. Vermutllich irgendwo unten bei Arrabiata. Was dieser kleine Mensch auf Rennstrecken schon geleistet hatte...unter anderem die Superbikevariante Aragon mit dem Tretroller und jetzt dieses Bergaufstück.

Gerade als ich losziehen wollte, um nachzusehen, kam er geradelt. Puh.
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Wir sahen zu, dass wir ausreichend sauber und adrett in Richtung Il Torrione abzogen. Das Auto parkte heute etwas näher dran - meine Fußschwäche machte sich an Tag 2 bemerkbar. Was bisher ausgeblieben war, war der üble Muskelkater vom letzten Jahr. Ich hatte ordentlich Schulter und Trizeps trainiert, und der letzte Termin war nicht sehr lange her. Aber die Füße...meine Zehen machten einfach nicht mehr mit. Wie sollte das bloß werden, wenn ich über 50 wäre. Gruselig.

Morgen war Abreise, heute gab es einen Besuch in einem sehr guten Restaurant. Und weil wir heute einen Henningchauffeur hatten, war ich froh, dass ich auch mit dem Ausparken wenig zu tun haben sollte. Es kamen noch eine Calzone und eine Margherita zum Mitnehmen mit - Mittagessen. Und dann verabschiedeten wir uns aus dieser hübschen kleinen Altstadt mit einem Spaziergang um den Turm herum.

Morgen abreisen. Mehrmals hatte mir der Henning deswegen mit Nachdruck Fragezeichen an den Kopf geworfen. Ob das denn überhaupt sein müsse usw usf. Ich konnte heute zwar noch stornieren, aber war fest der Überzeugung, dass man uns sicher wieder rauswerfen würde. Ich hatte doch vorab beim Folgeveranstalter gefragt. Und da kam mehr als NEIN.

Als Belohnung sollte ich morgen den Weg über den Brenner fahren. Schließlich war das ja meine Idee. Spätes Schlafen war ich ja jetzt ausreichend gewohnt. Nebenan gesellte sich schon wieder Alkohol zu Gelächter, das Training ging weiter.

"Wir haben ja noch Eis", sagte ich als die Kindschaft Nachtisch ins Spiel brachte. Das Fruchteis war ein Smoothie und das Milcheis in Waffel ein noch formstabiler Shake. Ich hatte völlig übersehen, dass der Kühlschrank warum auch immer auf minimale Leistung eingestellt war. Merken: beim nächsten Mal Kühlschrank richtig einstellen.

Es gab ausreichend Nachtisch für alle.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Auch nach dem Nachtisch war bei unseren geselligen Nachbarn noch lange kein Feierabend. Einige Stürze und Defekte hatten die Partylaune eher noch angekurbelt. Man hatte ja nun am nächsten Tag nichts mehr vor. Arschgeigen. Ich muss morgen Abend noch über den Brenner, ihr Penner. :evil:


Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen - Aaach, was, hör endlich auf zu singen, du italienische Wundertröte. Ich war schon lange wach. Ich brauchte keinen Aufwecksong mehr.
Poah, drei Nächte nicht geschlafen. Und dann war es später vermutlich zu trocken, um was zu sehen. Da hätte ich auch besoffen auf den Hobel steigen können. Was dieser Tag wohl bringen würde? Mir egal. Es war Zeit für ein bißchen Amüsemeng. Ich stapfte durch das Fahrerlager und blieb am Pavillon meiner drei jungen Männer stehen. "Was fahren wir denn heute?" Gestern war ich kurz auf die Gruppe aufgelaufen. Vorn ein unheimlich gut aussehender Fahrer in Neon, der nicht nur gut fahren konnte, sondern auch turnen. Dahinter zwei Suzukis, 750er, mit weniger grazilen Steuereinheiten. Dazu gehörte auch noch ein weniger schneller 600er-Fahrer, der für den Rest der Veranstaltung immer aufs Brot geschmiert bekam, was mit einer 600er so gehe. Mit mir als Beispiel.

Unser Kennenlernen war ein eher kurzes. Ich steckte drei, vier Kurven hinter den Kameraden, die einen Instruktionsturn hatten, ohne das deutlich kenntlich zu machen. Allein die angestrengte Fahrweise der hinterherfahrenden Zwei und deren gelegentiche Überforderung - während der Frontmann entspannt seine Linie zog - ließ das durchblicken. In der einen Kurve kam ich an Nummer 3 vorbei, der mich auch durch Schikane und die letzte Kurve nicht zurücküberholte. Dann legte ich mir Nummer 2 zurecht und sah zu, dass er weit vor der Kuppe erledigt war. Mit entsprechend Windschatten schaffte ich es auch noch, an Nummer 1 vorbeizugleiten, musste aber eingestehen, dass Nummer 1 mehr Kapazitäten auf der Bremse hatte.
Ich löste das Spielchen auf, in dem ich mich als Beobachterin vorstellte, die ein paar Tips geben könnte. Niemand hatte eine Dame auf dem Moped bemerkt, hieß es da. Und dann fiel der Groschen..."ach, warst du das, mit der gelben RSV4?" RSV was? Ich gab mir Mühe, nicht zu viel zu lachen, denn Nummer 1 fuhr fort "...ich sagte gerade noch, alle, die uns auf der Geraden überholen, sind 1000er." Leise, aber bestimmt sagte ich. "Das ist eine R6" Große Augen, Unverständnis, Bewunderung. Sie fingen alle an zu lachen. Alle, bis auf den mit der 600er. "Da siehst du mal, was da geht. Fahr doch mal schneller!"

Was wir heute fahren wollten - gute Frage. Eine 2:10 wäre schön, da waren wir uns einig. Vielleicht sähen wir uns ja noch einmal auf der Strecke. Ich fügte hinzu: "Aber nur kurz."
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Sehr gut! Mein Einstiegsturn mit einer 2:12 und noch einer. Und ansonsten fühlte es sich überhaupt gar nicht schlecht an. Bis darauf, dass der Henning schon wieder auf die Kacke haute mit seiner 2:08. :axed:

Mit ein wenig Wehmut machte ich die weitere Tagesplanung. Heute kein Mittagsschlaf. Heute Ist Abreisetag. Und da wollen wir alles mitnehmen, was geht. Turn 6 ging nicht mehr. Ich wollte so stressfrei wie möglich einräumen, denn es war ja meine Idee mit dem heute Abreisen und es sollte nicht auch noch dieses Fahrelager damit beschallt werden, wie wenig ich doch immer mithälfe und wie unfleißig ich doch so wäre.

2:12, 2:12, 2:12 - es war wie verhext. Egal wie oft ich die kleine schwarze Kiste konsultierte und nach der Geschwindigkeitsbilanz fragte, es schien sinnlos. Nach einem Stück Frustcalzone zum Mittag (die war soooo lecker) schob ich Gedanken hin und her. Hier später bremsen, da nicht so früh rein, und da - gemeint war das blöde Schild mit dem Rechtsabbiegepfeil - musst du jetzt endlich mal ordentllich rum. Ordentlich, das bedeutete gefühlt gar nicht bremsen. Gefühlt. Ha, ha. Aber es ging nicht ohne. Ich musste auf den Pfeil zuheizen, dann die Rübe rechts herum biegen anstelle weiter geradeaus zu glotzen und sodann ohne zu bremsen in die Kurve.

Es gab keine andere Möglichkeit für mich, mit Schwung die Arrabiatas hinter mich zu bringen. Was hatte ich noch unserem Nachbarn mit der Triumph geflüstert? "Einfach auf den Turm rechts schauen und weiter berghoch durchziehen, die Strecke ist dafür gebaut, dass das passt." Einfach bergab schauen und weiter bergab durchziehen schien nicht zu gehen, obwohl die Strecke sehr wohl dafür gebaut war, dass das passte.

Und die letzte Kurve, diese eine letzte Kurve, in der man dreihunderttausend Radien fahren konnte, aber keine die Rundenzeit so sehr verkürzte wie diese eine optimale Linie. Und was auch immer ich für eine Vorstellung von optimal hatte, es kam jede Runde etwas anderes dabei heraus. Am Ende entschloss ich, was offensichtlich war. Ich wollte ab jetzt einfach nur noch durchfahren. Und zwar so schnell wie möglich.

Die Augen zwickten und ich blinzelte vor mich hin. Mittagsglut. Heute war der wärmste Tag und das merkte man auch. Kopftuchmädchen unterzog sich immer öfter einer rituellen Waschung.

Wir, also die R6 und ich, hatte noch zwei Turns, um hier etwas zu reißen. Mit Konzentration auf den Abbiegepfeil durchbrach ich dann die 2:12. Wow. So geht das also. Von Erfolg beflügelt und betrübt, dass nicht mehr viel Fahrzeit übrig war, wusch ich mich noch ritueller und atmete noch tiefer durch und schluckte den Schluck Wasser erst in der Boxengasse völlig herunter. Die Sonne brannte auf mein Fell. Aber ich hatte einen guten Reifen und ich hatte eine Mission.

Ich hatte endlich verstanden, wie diese Strecke funktioniert. Am Ende von Turn 5 standen zwei 2:10er auf der Uhr. 6 Sekunden schneller als vor einem Jahr, mit bestem Dank an Bremstechnik, Reifenwahl und die goldene zartfühlende Gabel.

Sehr zufrieden stellte ich das kleine Gelbe ab, und packte mein Duschzeug. Unser Henning, in der schnelleren Gruppe immer nach mir dran, hatte auch noch was vor. Aber während ich aus der Dusche kam, war der Turn abgebrochen, und kein Henning war am Anhänger. Dann kam ein Jan gelaufen: "Es war doch Papa." Ooooh, nein. Alles voller Öl. Am Ender der Geraden war sehr, sehr viel Öl ausgelaufen. Und hatte sich verteilt. Aber außer aufsteigender Fahrunfähigkeit für den Termin in Most und bereits aufgestiegener Scheißlaune, die ebenso fein verteilt werden wollte wie das Öl, war nichts passiert. Alles war heil. Es gab nicht einmal eine Ölspur.

Scheiße. Wir hatten schon um die 17 Uhr und noch relativ viel zu putzen. Und dann das ganze Geraffel noch einladen. Ich hoffte, dass wir vor drei im Hotel ankämen. Und während der Henning seinen Kram säuberte, besorgte ich einen großen Pappcontainer, den man im Anhänger unter das Geplatzte legen könne. Mit offizieller Erlaubnis, die Kiste über dem Gulli abzuwaschen, wusch der Henning dann das Öl vom Moped.

Und oh, ich hatte doch diese drei tollen stabilen gelben Säcke. Eigentlich waren es nur noch zwei, denn in einem steckte schon der Todesreifen voll mit Reifenschmatze. Der war viel zu schade zum wegtun und ein lower Budget Racer wie unser Davie Mavie könnte den doch mal ausprobieren. Nur mal so schauen, wie er sich verhält für einen halben Tag. Niemand hatte bisher offiziell für den Motzanfall über die guten Säcke um Verzeihung gebeten. Wie gut konnte man solche Tüten brauchen, für Notfälle.

Gegen sieben waren wir dann endlich fertig. Und während immer weniger Zweiräder den Paddock verließen, wurden immer mehr Vierräder ausgeladen und in die Boxen verfrachtet. Autos. Die mochte man, die hatten immer Kohle und machten nicht so viel Stress. Kein Wunder, dass wir so dezent ausgeladen wurden. Und wir fuhren so schnell wie möglich los, wollten ja mit unserem Minimalbudget nicht auch noch die Herrschaften optisch belästigen.

Nach einem relativ ruppigen Anfang in 2023 waren Mugello und ich doch noch Freunde geworden. Schade, dass wir so weit auseinander wohnen. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.
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Beitrag von Chris79 »

Toll zu lesen. Mugello steht auch noch auf meiner Bucketliste an Rennstrecken. Bin bissl neidisch 😎
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Nach nur kurzem Gejuckel über enge Straßen mit nachsichtigen Italienerleuten ging es ab auf die Autostrada. Und obwohl es in Italien deutlich besser war als in Deutschland, fragte ich mich mehrmals, was Menschen dazu brachte, in Tunneln immer so langsam zu fahren. Und immer wieder rollte dann auf der linken Spur ein langes rotes Auto mit weißem Anhänger an der Kolonne vorbei. Bis dann von hinten etwas angeschossen kam, wo weder Geschwindigkeitslimits, noch das Vorhandensein eines Tunnels interessant zu sein schienen.

Wir rollten so vor uns hin. Knapp 500km, dafür aber mit Anhängertempolimit und der Langzeitdiskriminierung ab Modena. Der Henning maulte auf dem Beifahrersitz, weil er seinen Platz nicht inseriert bekam, und ich suchte die letzten Paar Drei Fragezeichen-Stories heraus, die wir noch nicht gehört hatten. Hoffentlich musste niemand Pipi. Hoffentlich konnte ich den Tankinhalt bis zum Hotel verwalten. Hoffentlich konnte ich in Most auch endlich schneller fahren.

Bob, Peter und Justus begleiteten uns bis hinter den Gardasee. Mittlerweile war es zappenduster. Aber die Straße war frei, und man konnte das Überholverbot etwas dehnen. Von hinten sahen wir doch fast aus wie ein Wohnmobil. Und vorbei kamen wir wohl auch schnell genug. Wenn ich was an meinem neuen Businessklappstuhl mochte, dann waren es die 260 PS mit Allradantrieb. Es fühlte sich mit dem Standardschaukelfahrwerk nie so an, als sei überhaupt ein Anhänger dahinter. Dazu noch war es windstill und trocken. Ich drehte die Musik noch leiser und blickte mich um. Es waren alle eingeschlafen. Jetzt kam das härteste Stück.

Jede/r, wo schon einmal für Sekunden im Auto eingeschlafen ist, um dann ganz zügig wieder aufzuschrecken, weiß, wovon ich rede. Es war gefährlich, wenn alle anderen schliefen und alles leise war und man keine Ablenkung mehr hatte. Aber ich hatte niemanden als Ablösung gefunden. Der Henning maulte immer noch vor sich hin, und obwohl ja jetzt wirklich klar gewesen sein musste, dass niemand im Fahrerlager bleiben sollte, meldete er sich nicht zum Fahrdienst. Ehrlich gesagt wollte ich das aus Sicherheitsgründen nicht. Viel zu oft resultierte das Gemotze in Fahrigkeit am Steuer, und wenn das mit Müdigkeit potenziert wurde...Ich biss mir auf die Lippen und sah zu, dass das ganze kalte Gebläse auf mich zielte.

Heute war kein Prioritätstag, heute war ein schnöder einspurige-Baustelle-Tag. Das Ding war relativ eng, immer noch schaukelig an manchen Stellen, aber gut zu fahren. Und vor allem: leer. So leer hatte ich diese Autobahn noch nie gesehen. Es war die beste Entscheidung überhaupt, heute noch zu fahren. Ja, heute noch. Wir hatten noch nicht ganz Mitternacht und waren fast da. Nach nicht viel mehr als 5 Stunden stieg ich auf dem Hotelparkplatz (der leider gar keiner war) aus und übergab zwecks Einparken an den Henning. Es dauerte ein wenig, bis wir den richtigen Eingang fanden, und es dauerte auch, bis wir entschlossen hatten, nicht vor dem Supermarkt zu parken, sondern in zweiter Reihe neben dem WoMo, das auch auf den Streetview-Bildern zu sehen war. Ein Dauerparker? Der wird wohl nicht morgen losfahren wollen. Und wenn ja, dann kann er/sie/es anrufen. Henning dekorierte die Frontscheibenauslage mit meinen Visitenkarten. Seit aus Außendienst Teledienst geworden war, schien das die einzige sinnvolle Verwendung von meinen Pappkärtchen zu sein. Traurig.

Da waren wir. In Österreich. Genauer gesagt im HWest Hotel. Mit wunderbaren Betten, trinkbarem Leitungswasser und Frühstück. Und vor allem der Chance, nicht den ganzen Donnerstag auf der Autobahn festzustecken. Dafür zahlte ich gern die fast 250€. Jetzt war Urlaub.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Guten Morgen, guten Morgen - es schien schon wieder die Sonne. Aber alles war leise, bis auf ein Rauschen von der nahgelegenen Autobahn. Wie schön, heute hatte ich frei. Es fühlte sich fast an wie eine Dienstreise. Nebenan im Bett wühlte sich eine Lea noch tiefer in die Kissen. Ich war wach. Jemand hatte draußen das Licht angemacht, und da war nichts mehr mit Wühlen. Ich genoss den Luxus einer eigenen Dusche nur wenige Meter neben dem Bett, bevor ich das Kind aus dem Bett herauswühlte. Prinzessin Lea war bereit, sich zu erheben und schwebte ins Duschzimmer. Ich war froh über unser Damenzimmer, denn nebenan wechselten sich schon der Motzbert und der Motzhenning ab, wie man durch die Zwischentür vernehmen konnte. Ein echtes Motzzimmer. Die einzigen, die hier und heute wirklich schlechte Laune haben durften, waren die kleinen Leute, die durch Europe gejuckelt wurden. Stundenlang im Auto sitzen, spät und manchmal sehr schlecht schlafen und den ganzen Tag Langeweile oder nah dran. Das konnte nicht mehr lange so gut gehen. Zusammen waren sie jetzt 20 Jahre alt, und es kam die Zeit der Verweigerung von Aktivitäten mit Eltern. Ich packte meine Sachen, und räumte auch Leas Zeug etwas zusammen. Wir wollten gemütlich frühstücken, und ich hoffte, dass die Kindschaft ausreichend essen würde. Leider liefen die kleinen Buffetfräsen immer erst Abends auf Hochtouren.

Offiziell war niemand besonders dankbar, dass wir heute hier aufstehen und gemütlich abreisen konnten anstelle im Stau am Brenner zu versacken, aber daran gab es überhaupt keinen Zweifel.

Nach dem Tanken direkt gegenüber und noch einem Losfahrpipi machten wir uns auf den Weg. Wir fuhren nach Amberg. Lea wollte noch einmal von 5 Meter-Brett springen, und außerdem hatten wir uns noch nicht durch alle Restaurants gemampft. Und außerdem hatte ich nichts anderes gefunden, was auch nur ansatzweise Sinn hatte bzw. noch frei war. Das Drahthammer Schlössl mit seinem Parkplatz war eine Empfehlung von Herrn Moosi. Von dort aus konnte man zu Fuß ins Stadtzentrum, was erstens ein wenig Bewegung versprach und zweitens deutlich anbot, das lokale Bier zu testen.

Wir hatten in drei Übernachtungen zweimal Schwimmbad, einmal gutes und zweimal sehr gutes Essen und am Ende des kurzen Urlaubs hatte Lea einen Schulrucksack und Ohrstecker. Sie war ein bißchen sauer, weil der Vater meinte "tut gar nicht weh", wozu ich schwieg und mich an den brennenden Schmerz erinnerte, aber unheimlich stolz auf sich, nachdem es vorbei war. Jan hatte leider den Sprung vom 5er nur fast geschafft. Er zögerte und wedelte sich mit dem Arm eine Wespe vom Geländer in die Lippe. Wir machten Späße, dass die Polendamen aus Mugello viel mehr Geld für sowas bezahlt hätten. Fand er minderlustig, ließ es aber tapfer über sich ergehen.

"Wann sind wir endlich mal wieder bei Puma Racing?" Diese Frage hatte Lea jetzt schon öfter gestellt, und ich vermutete, dass das weder mit der Top-Organisation, noch mit dem freundlichen Umgang zu tun hatte, sondern mit der Slush-Maschine, die im letzten Jahr am letzten Abend kostenlos geleert werden durfte. "Panther Racing", entgegnete ich jedesmal, behielt aber für mich, dass es eventuell nicht zur Basisausstattung gehörte so eine Maschine dabei zu haben. Lea freute sich wie Bolle auf Puma Racing, und das wollte ich nicht vergniesgnaddeln.

Vergniedgnaddelt hatte unser Henning jetzt schon genug. Es war sicher nicht schön, den nächsten Termin sausen lassen zu müssen, aber alle 10 Minuten herauszublasen, dass der Platz immer noch nicht verkauft wäre, und man deswegen ja wohl schlechte Laune haben dürfe? Es war nur Geld. Und nicht einmal viel, wenn man bedenkt, dass ich schon über 20k€ in einen neuen Deseo gesteckt hatte, weil der andere ein klein wenig auf der Seite gelegen hatte. Never regret sunk costs. Im Moment der Überweisung war das Geld weg. Und wo es blieb war doch eigentlich egal. Es war ja weg.

Nach drei Tagen, die ich der Kindschaft so schön wie möglich machte, fuhren wir also los in Richtung Most, um uns frühzeitig ins GMM-Lager zu schleichen, Mittags ging das meistens noch. Und mit Kindern im Auto hatte der/die Schrankenwärter/in meistens Mitgefühl.
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Beitrag von Chris79 »

campari hat geschrieben: Sonntag 21. September 2025, 17:51 ... Es war meine letzte Saison. Und hierher wollte ich nicht mehr fahren. Ich hätte die ganze Speisekarte bestellen können, um für die nächsten Jahre vorzusorgen. "Zum Mitnehmen, bitte!" Und dann? Einfrieren? Transport, Lagerung, alles witzlos. Das Einzige, was blieb, war die Aussicht, einfach nur Urlaub zu machen. Irgendwo in Italien....
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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