Die Schmach ist getilgt!
Teil 4:
Nachdem ich an Tom übergeben hatte begab sich unser Junior wieder an die Boxenmauer, meiner einer holte zunächst einmal tief Luft und warf einen Blick auf die Reifen. Der Anblick entlockte mir ein breites Grinsen. Der vordere Michelin sah wie immer super aus (nur in Brünn hat ein derartiger Reifen einmal ein bisschen geschwächelt), das Laufbild des hinteren Bridgestones war ne Wucht. Der Reifen hatte jetzt ca. 1h 10 min Bördesprint und ca. 7 Runden in der Stolpe-Arena hinter sich. Bis jetzt war da nichts gerutscht und das alles mit einem Gripniveau, das die Pirellen oder die Metzeler nur für ca. 7 – 10 Runden zu bieten hatten. Gut Reifen brauche ich nicht zu wechseln, also musste der Bolide nur in Form von Tanken für den letzten Turn vorbereitet werden. Ich wechselte die Unterwäsche, aß zwei Bananen und trank ein größeres ISO-Getränk und suchte mir ne Mütze wega den arktischen Temperaturen an der Börde

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Beim Tanken war mir etwas von dem edlen Saft über den Überlauf entwichen und hatte sich ein bisschen auf dem Asphalt ausgebreitet, latürnich kam jetzt gerade ßabine vorbei und stellte mich ins Achtung … Nachdem der Boden gereinigt war, fragte ich bei unserem Teamchef nach den Zeiten vom Tom. In freien Runden schien er mit seiner R6 42er bis 43er Zeiten zu fahren, sodass unser Kappo und ich beschlossen sofort wieder zu wechseln, sobald der Sprit für den finalen Turn bis zur karierten Flagge reichen würde. Die Zeit verging schneller als man glaubte und ich bekam vom Junior das Signal, dass er Tom jetzt reinholen würde. Ich zog die Kuscheldecken von meiner geliebten K4 und stellte mich auf. Tom kam, hob das Hinterrad zur freudigen Begrüßung, Junior übertraf sich selbst und wechselte in gefühlten 4,34 sec den Transponder und ich legte wieder los. Diesmal zickte ich in der ersten Kurve nicht rum und konnte dank angefahrener, warmer Reifen sofort loslegen.
Der Turn verlief relativ unspektakulär. Einmal wurde ich wieder von meinem Idol, dem 600er-Fahrer, überholt. Er presste sich beim Anbremsen an die Hasseröder zwischen einen Aufzünder, mich (ich war übrigens ebenfalls am überholen) und der Grasnarbe und entschuldigte sich beim rausbeschleunigen sofort. Der Überholvorgang war so cool

, das Entschuldigen war nun wirklich nicht notwendig, denn er dürfte auch in einer Mission unterwegs gewesen sein.
Die Linie der B52 kreuzte sich das eine oder andere Mal mit der Meinigen

und auf einmal tauchte wieder die gelbe Lederkombi vom Bremsklotz am Horizont auf. Da war sie wieder meine Mission

. Zunächst wurde der Abstand nur unwesentlich geringer, doch auf einmal hatte ich urplötzlich auf ihn aufgeschlossen, da er beim Überrunden offensichtlich etwas hängen geblieben war. Und da war es wieder mein Problem … ich sah nicht die geringste Chance ihn zu überholen, bis er auf einmal im Shell-S beim Umlegen auf die links einen kleinen Fehler machte. Ich hatte vorher schon die Rechts von ganz außen angefahren, in der Hoffnung die Links so richtig mit Schwung nehmen zu können, um mich dann vielleicht beim Anbremsen auf die folgende Rechtskurve eventuell neben ihn zu positionieren …8). Das war der Plan, er machte jedoch beim Umlegen nach links einen kleinen Fehler und fuhr eine relativ weite Linie. „Papa“, schrie ich mich an, „das ist die Chance, die so schnell nicht wiederkommen wird.“ Ich ging so früh wie noch nie ans Gas und konnte ihn in der Linkskurve ausbeschleunigen, uff geschafft.
Ca. zwei Runden später war beim Anbremsen Ende Start-Ziel ein kleiner Pulk 600er vor mir und ich wollte recht cool, irgendwie an den Jungs zügig vorbei. Plötzlich fächern die auf Höhe der Brücke nach rechts und links aus und versuchten an unserem Kurti vorbeizukommen. Die ausladende B52 war vorher nicht zu sehen und mein interner Rundenzähler hatte die B52 erst eine Runde später wieder auf dem Plan. Und wo bitteschön sollte ich jetzt da vorbei

? Au Scheisse, das war eines der heftigsten, brutalsten Überholmanöver, das ich je gestartet hatte. Einmal hatte ich in meiner Jugend, im zarten Alter von ca. 18,34 Jahren, auf der linken Spur der A61 plötzlich ein Auto mit einem gelben Kennzeichen und einem oranje gekleideten Erdling vor mir. Mir ging damals der Platz aus, auf der rechten Spur befand sich ein 40-Tonner und die einzigste Lücke, die sich mir bot, war der Standstreifen ….

. In so ziemlich der gleichen Situation war ich gerade eben. Irgendwie schaffte ich es an den Jungs erst rechts und dann innen vor der ersten links fast vorbeizukommen und betete einen Rosenkranz, dass der 600er-Fahrer noch nicht nach links umlegt. Bitte, bitte warte noch 0,34 sec, bitte, bitte … Meine Gebete wurden erhört. Irgendwie musste mich der redliche Aufzünder gespürt haben und ließ mir die 34 cm die ich benötigte. Scheisse, in so eine Situation möchte ich nie wieder kommen. Der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Kurti und uns war einfach zu groß ….
Weitere 2 Runden später lege ich mir beim Anbremsen auf die Hasseröder einen Kollegen zu Recht, als in meinem peripheren Blickfeld ein weiteres Moped auftauchte, au Scheisse dachte ich nur, das wird eng für die Kollegen hinter mir. Ich hoffte inbrünstig, dass jetzt nicht dieses ekelhafte knirschende Geräusch kommt und mich einer von den beiden womöglich noch von hinten abräumt

. Nichts wie weg hier. Kurz darauf überholte mich Hajo und mir wurde klar, wer der dritte Mann bei unserem Anflug auf die Hasseröder war. Vielleicht wird er noch das Ganze aus seiner Sicht berichten… Als ich ihn bei der Siegerehrung darauf ansprach, entwich ihm kurzeitig das breite Grinsen in seinem Gesicht
Ich versuchte an Hajo dranzubleiben, was mir leidlich gelang, beim Überrunden machte er jedoch keine Gefangenen, sodass ich abreißen lassen musste. Kurz drauf überholte mich Bob vom MSF-Sauerland. Ich dachte nur ok, jetzt gilt es. Ich nahm ein Stück Holz zwischen die Zähne und klemmte mich dahinter. Das waren mit die geilsten Runden des ganzen Events. Ich schaffte es endlich in die 38er-Regionen vorzustoßen, war ich stolz

. Das Grinsen wurde immer breiter, die spätere Auswertung der Daten zeigte, dass ich bei diesen Runden auf der Bremse noch ewig Luft hatte. Ich weiß, ich werde irgendwann einmal in die tiefen 37er wenn nicht sogar 36er-Regionen vorstoßen, hehe. Man muss sich einfach Ziele setzen und das ist eines meiner Ziele. Die Schmach vom August letzten Jahres war getilgt, hehe.
Die Uhr zeigte, dass der Event leider dem Ende zugehen würde. 3 min vor Schluß meldete sich die gelbe Lampe und deutete an, dass nicht mehr allzu viele Runden möglich sein sollten. Ich kam gerade wieder auf Start-Ziel, die Uhr sprang gerade auf die 4.00 h um und ein braver Erdling vom MSF-Sauerland kam mir mit der karierten Flagge entgegen und winkte mich als Ersten ab. Hä, das war zuviel für mich? Ich dachte bis jetzt immer, dass bei einem Langstreckenrennen der Führende nach der Zeit als Erster abgewunken wird, und ich war sicherlich nicht der Führende, sodass ich sicherheitshalber noch eine weitere Runde dranhängte

. Im Gegensatz zu meinem sonstigen Aufzünderdasein blickte ich mich mehrmals verstohlen um, niemand kam mehr, trotzdem passierte ich noch einmal Start-Ziel. Die Zeitenliste zeigte jedoch, dass dies nur eine von zwei Ehrenrunden war …. Schade eigentlich. Vielleicht kann mich jemand vom MSF-Sauerland mal aufklären, ob ich mit meiner Annahme vollkommen falsch liege ….
Ich kam dann doch irgendwann einmal in die Box

, wo schon die eine oder andere Rauchwolke aufstieg, cool. Meine Teamkollegen empfingen mich und alle waren glücklich. Das Schlumpfen-Racing-Team war overall Zwölfter, Fünfter in der Klasse und die Teams vor uns waren fast alle stärker bestückt als wir. Ich hatte meine Bestzeit kurz vor Schluss nach 2 h aufzünden um zwei Zehntel mit 1:38:7 unterboten und mit dem Brückenstein endlich einen Reifen für die Hinterhand gefunden, der mindestens 2 h ausreichend Grip für Heldentaten bietet. Der Reifen sieht so aus, als würde er noch mindestens eine halbe Stunde verkraften. Die Pirellen oder Metzeler sind - bis da nicht was Besseres kommt - für mich vorerst Geschichte.
Wir empfingen unsere Pokale – meine liebe Frau, von Beruf Dekorateurin, hatte mir untersagt ein derartiges Geschenk mit nach Hause zu bringen, Antizünd wird sich freuen

, höhö – und beschlossen sofort, sobald wie möglich wieder einen Langstreckensprint anzugehen. Irgendjemand erzählte etwas vom zweiten Bördesprint, den wir innerlich sofort abhakten, da an diesem Wochenende die Schlümpfe schon für das 4h-Rennen in Most beim Robert eingecheckt haben. Plötzlich hören wir bei der Siegerehrung etwas von einem 6h-Rennen auf dem Nürbürgring, da war sie unsere nächste Mission …..
