Teil 2
Lasst uns vielleicht doch erst einmal den Hintergrund zu dem Miller-Zyklus genauer betrachten. Was ist das und warum wird der eingesetzt? Mit der Aussage alleine, der Ansaugweg wird verkürzt, darunter kann man sich jetzt wenig drunter vorstellen.
Im Jahr 1882 hat sich ein genialer Kopf namens Atkinson Folgendes ausgedacht, um das Patent vom Ottomotor zu umgehen:

Quelle: commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Atkinson_Engine_with_Intake
Er hat den bestehenden 4-Takt Prozess angewendet und einen Kurbeltrieb entwickelt, der nur kurz ansaugt, aber lang expandiert, schön in der Grafik veranschaulicht. Auf diesem Prinzip basiert sowohl der Atkinson, als auch der Miller-Zyklus. Thermodynamisch betrachtet sind beide eng verwandt. Jedoch wird das heute nicht mehr über so eine Kurbelwelle umgesetzt, sondern über die Steuerzeiten der Nockenwellen. Den ursprünglichen Atkinson-Kurbeltrieb mit den heutigen Drehzahlen, das kann man sich nur schwer vorstellen.
Hier der direkte Vergleich zwischen Miller- (frühes Einlass schließen vor UT) und dem Atkinson-Verbrennungszyklus (sehr spätes Einlass schließen nach UT)

Quelle: media.springernature.com/lw1200/springer-static/image/art%3A10.1007%2Fs35146-015-0110-0/MediaObjects/35146_2015_110_Fig1_HTML
Die linke Achse im Steuerzeiten Diagramm ist der Ventilhub und unten die Position der Kurbelwelle. Nachdem der Kolben unten im UT war, schiebt er durch das geöffnete Auslass Ventil das verbrannte Gas hinaus, das ist wie immer. Oben im OT in der Ventilüberschneidung, ist auch der Einlass gleichzeitig leicht geöffnet, für den Gaswechsel und Anregung der Gasdynamik, auch das noch normal. Üblicherweise fährt der Kolben dann nach unten und durch das geöffnete Einlass Ventil wird ansaugt. Die Gassäule im Einlasskanal ist träge und hat kinetische Energie gespeichert, so kann sie noch etwas nach UT den Brennraum ein kleines bisschen extra füllen, um sogar etwas über 100% Liefergrad zu kommen. Erst danach kommt die Komprimierung und Verbrennung, sieht man hier nicht am Diagramm, nur eine Info für den Ablauf. Es ist also normal, dass der Einlass erst etwas nach dem UT geschlossen wird, aber in engen Grenzen.
Der Atkinson Zyklus treibt das jetzt auf die Spitze und lässt das Einlassventil einfach noch länger offen, während der Kolben wieder nach oben fährt. Das Benzin-Luft-Gemisch wird dann zurück in den Einlass gedrückt und die Brennraum Füllung sinkt, der Ansaugweg wird entsprechend verkürzt. Man sieht im unteren Diagramm den Liefergrad über den Einlass Schlusspunkt. In dem Beispiel ist der Brennraum beim Atkinson nur noch zu 2/3 gefüllt, genau das möchte man auch erreichen. Das Ganze mit der Nockenwelle entsprechend umzusetzen, ist recht einfach. Länger offen lassen entlastet die Ventilfeder und die Kinematik vom Ventiltrieb, da einfach mehr Zeit zur Verfügung steht.
Jetzt kommen wir zum Miller Zyklus. Der kommt im Diagramm auch auf 2/3 Füllung. Aber im Gegensatz, schließt er das Einlassventil schon deutlich bevor der Kolben unten angekommen ist. Bedeutet, um das Ventil zu öffnen und wieder zu schließen, da bleibt nur sehr wenig Zeit. Möchte man jetzt trotzdem einigermaßen großen Ventilhub zusammen bekommen, dann muss man scharf an die Beschleunigungsgrenze gehen und bewegt sich am Rande, was das Material aushält (Hier im Diagramm nicht gezeigt, Serien Verlauf beim Öffnen). Warum man das möchte, kommt gleich.
Erst einmal die Frage, warum man diese Verbrennungszyklen überhaupt benutzt. Neben der Wirkungsgraderhöhung gibt es auch den Vorteil der sogenannten Entdrosselung. Damit ist allerdings nicht die 48PS Drossel für 18-jährige gemeint
Wie wir wissen, wird ein Benziner über eine Quantitätsregelung in Last und Drehzahl gesteuert. Die Zusammensetzung des Gemisches bleibt also immer nahe Lambda 1, während sich die Luftmasse und -dichte im Brennraum durch Drosselung verändert. Dabei gibt es ein großes Problem, es wird Unterdruck zur Umgebung mit der Drosselklappe erzeugt. Man benutzt die Klappe eigentlich dauernd, außer bei Vollgas und der Unterdruck wirkt beim Ansaugen auf den Kolben, während unten im Kurbelgehäuse der normale Druck herrscht. Hört sich erst einmal nicht wild an, da können aber schnell ein paar kW an Leistung dafür geschluckt werden, die von der erzeugten Power an der Kurbelwelle abgezogen werden müssen. Und jetzt kommen wir wieder ganz zum Anfang des letzten Beitrages mit dem Diagramm über den Wirkungsgrad und Spritverbrauch, der im Teillastbereich schnell mal 3,5x so groß (oder größer) sein kann, wie im Bestpunkt. Dieser Drosselvorgang ist einer der Hauptgründe, für den schlechten Wirkungsgrad im Teillastbereich.
Jetzt schauen wir uns eine weitere Diagramm-Form an, die wird später noch wichtig, das pV (Druck, Volumen) Diagramm. Es zeigt in der Höhe den Druck im Brennraum und nacht rechts das Volumen was der Kolben in der Position freigibt, (
kurze Erklärung). Man kann dem Motor bei der Arbeit zusehen und das im wahrsten Sinne, denn die Fläche der oberen Arbeitsdruck-Schleife gibt an die Kurbelwelle Arbeit ab und die untere Ladungswechsel-Schleife entzieht sie ihr. Naturgemäß wollen wir also viel Leistung bekommen und wenig aufwenden für den Ladungswechsel, die untere Schleife soll also eine kleine Fläche haben.

Quelle: spektrum.de/lexikon/physik/verbrennungskraftmaschine
Vergleichen wir mal den normalen Otto-Zyklus im Teillastbetrieb mit dem Miller Zyklus (Atkinson wäre fast gleich). Die rote Otto-Schleife ist riesig in der Fläche, was eben genau dieser besagte Unterdruck auf den Kolben verursacht und der Gegendruck beim Ausstoßen. Es muss also ordentlich Arbeit zum Drehen des Motors reingesteckt werden. Wohingegen der Miller Zyklus eine viel kleinere Fläche hat, denn hier kommt der Knackpunkt, die Drosselklappe kann geöffnet werden. Die Füllung wird ja über die Ventilschluss Zeit vom Einlass bestimmt und somit muss nicht gedrosselt werden, clever!

Quelle: quizlet.com/de/grundlagen-der-technischen-verbrennung
BMW setzt das übrigens schon seit 2001 ein mit der vollvariablen Valvetronic Ventilsteuerung.
Man sieht auf dem Diagramm auch die Besonderheit vom Miller Zyklus, diesen schrägen Haken bei ES (Einlass schließt). Der bedeutet das Volumen steigt an, aber der Druck sinkt. Die Ventile sind ja geschlossen und somit zieht es das Gas auseinander, dadurch kühlt das Gemisch zum Verdichtungsbeginn vorher ab. Das ist für mich wichtig, um nicht zu nah an die Kopfgrenze zu kommen, wo sich das Gemisch durch zu hohe Temperatur lokal selbst entzündet und den Motor sprengen kann. Beim Atkinson wird bereits im Brennraum aufgeheiztes Gas in den Einlass zurückgeschoben und dann ein zweites Mal vorgewärmt angesaugt. Die Thermodynamik gibt einem da schöne Werkzeuge, um abzuschätzen welche Druck und Temperatur sich nach der Verdichtung in einem bekannten Volumen einstellen. Dazu braucht man Anfangstemperatur/Druck und das Kompressionsverhältnis. Jetzt kommt der sogenannte Isentropenexponent ins Spiel, der beschreibt wie sich ein Gas bei Kompression im abgeschlossenen Raum in Druck/Temp verhält. Das hängt vorallem an den Freiheitsgraden der Atome des Gases ab. zB. Argon ist 1-atomig und hat mehr Freiheit als ein 2-atomiges O2 Molekül (
Erklärung). Ideale Luft wäre bei 1,4 und im Motor ermittelt man bei echtem Gemisch um die 1,36 als Isentropenexponent. Um sich das besser vorstellen zu können, ein kleines Beispiel:
Nimmt man das Gemisch mit 35°C im Zylinder an und verdichtet es mit 13:1, dann kommen wir somit auf eine Temperatur von 500°C, das ist eine Hausnummer. Das gibt einem die Möglichkeit abzuschätzen, wann es kritisch nah man am Klopfen dran ist. Beispielsweise eine aufgeheizte Airbox macht da schon einen ordentlichen Unterschied, denn 10°C mehr vor dem Verdichten, sind hier 28 Grad mehr nach dem Komprimieren, ein wichtiger Effekt. Warum erzähle ich das?
Wenn man Isentropenexponent heranzieht, dann kann man angenähert berechnen, was nach der Verdichtung passiert, wenn man dann zündet und das ist ja, was uns am Ende wirklich interessiert. Dann sieht man recht schnell, umso mehr man das Gemisch verdichtet, umso stärker die Verbrennung. Das ist genau dieser '10° wird zu 28° mehr' Effekt. Solange bis es eben klopft, was die Grenze darstellt. Und da kommt der nächste Knackpunkt, da der Miller/Atkinson Zyklus deutlich weniger in den Brennraum bekommt, kann man ihn höher verdichten. Ein weiterer Baustein für die Wirkungsgrad-Erhöhung. Und so kam es, dass mein Versuchsmotor statt den serienmäßigen 8,7:1 eine Verdichtung von 14,2:1 bekommen hat.
Jetzt schauen wir uns mal ein echtes Beispiel an. Bei Toyota/Lexus sind die Atkinson Motoren seit über 20 Jahren im Betrieb. Hier ein Effizienz-Diagramm vom Toyota Prius 3 mit 1800ccm Vierzylinder.

Quelle: priuswiki.de
Die hellblaue Linie zeigt, wie das Automatikgetriebe den Motor belastet, um möglichst im effizienten Bereich zu sein. Allerdings gibt der Motor gerade einmal 140Nm maximal ab. Das würde eigentlich auch ein 1200ccm Sauger Benziner schaffen, da zeigt sich die geringere Füllung vom Atkinson Zyklus. Wenn man sich allerdings den Bestpunkt ansieht, dann sind das 220g/kWh, was beim unteren Heizwert von Superbenzin einem Wirkungsgrad von 40% entspricht. Der aktuelle Toyota mit Direkteinspritzung kommt sogar auf 41%. Normale Benziner Sauger liegen im Bereich 36-37%. Und man sieht auch wie langsam der Wirkungsgrad nach unten abnimmt in den Teillastbereich hinunter, da ist der Toyota deutlich besser, als ein normaler Motor mit Drosselung. Und das schlägt sich im Verbrauch nieder, wo der Prius in der Stadtfahrt gerade mal die Hälfte oder weniger verbraucht bei Niedriglastfahrten. Allerdings hat er durch den extrem späten Einlass Schluss bei geringer Drehzahl überhaupt kaum Kraft. Bei 1500 Umdrehungen sind es 90Nm aus dem 1.8 Liter Triebwerk. Deshalb benötigt er die Unterstützung der Elektromotoren vom Hybridsystem.
Der Miller verhält sich durch den frühen Einlass Schluss genau anders herum, er hat seinen größten Druck kurz nach dem Standgas und fällt danach rapide ab. Deswegen wird er heutzutage nur mit Turboaufladung zusammen konzipiert, wie zB. die VW evo Miller-Motoren.
Man muss also ganz klar sagen, für die normale Anwendung mit breitem Drehzahlband, da bietet sich vorallem der Atkinson-Zyklus an. Warum setze ich jetzt auf den Miller?
Erstens kann ich ja schlecht einen alten Hut kopieren, da hätte sich der Formel1 Professor garnicht erst auf mich eingelassen. Ich wollte das Ganze eben auch verbessern.
Der Atkinson kann hoch drehen und einigermaßen viel Leistung (in Richtung 100PS/Liter) erzeugen. Dafür braucht er aber auch entsprechend große Ventile und Kanäle, um die Luftmasse dafür durch zu bekommen. Das verschlechtert aber wieder den ganzen Bereich unterhalb der Leistungsdrehzahl. Das ist für mich also uninteressant.
Mein Konzept war es, sowohl die Steuerzeiten des Miller Zyklus auf einen Bereich auszurichten, als auch die Strömungsturbulenz in diesem Bereich sehr hoch zu bekommen, durch entsprechende Einlass Auslegung.
Das war für den Moment erstmal viel auf einmal, ich habe versucht nicht zu tief in die Thematik abzutauchen und eher einen Überblick zu geben. Bei Fragen gerne antworten oder eine PN schreiben.
Jetzt seid ihr quasi Experten auf dem Gebiet und es kann endlich mit der Umsetzung losgehen
