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SV650 aus dem letzten Jahrtausend

Der Bereich für Eure Projekte, Um- und Aufbauten. Auch Tips und Tricks zu Feinheiten, aber keine Standardthemen wie: so wechselte ich die Bremsbeläge.

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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

R O L A N D hat geschrieben: Montag 16. Dezember 2024, 19:08 Boah, da freue ich mich schon drauf!!! Dankeschön im Voraus für deine Mühe :D
Hey Roland,
Danke, ich freu mich auch schon auf das Schreiben :D
Macht Spaß die vergangenen Projekte nochmal durch zu gehen, aus meinem Kopf verständlich aufzubereiten und in die Welt zu bringen. Das ist garnicht so einfach wie es sich anhört :wink:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von r1-engel »

Sieht sehr interessant aus. Mich würde auch der Aufbau der Flowbench (falls es eine ist) sehr interessieren, weil ich mir sowas auch noch basteln möchte.

Beste Grüße
Richard
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Hallo Richard,
Ja das ist eine Art Flow Bench. Mit dem Unterschied, dass ich den Durchfluss nicht über Blenden messe, sondern über einen MFM. Funktionieren aber mehrere physikalische Prinzipien dafür. Musst hier mal im Jahr 2020 schauen, da hab ich den Aufbau beschrieben.
Allerdings muss ich dazu sagen, aus heutiger Sicht finde ich die Flow Bench ein ziemlich trügerisches Werkzeug. Es geistern ja viele Formeln rum, wie 0,254cfm=1PS und das verleitet einen dazu, den maximalen Durchfluss rausholen zu wollen. Wenn man jetzt beispielsweise ein 40er Ventil hat und mit dem 40er Fräser bis kurz vor dem Sitz aufweitet, dann kommt man auf enorm hohe Durchfluss Werte auf der Flow Bench. Wenn man den Motor dann wieder zusammen baut, merkt man schnell, da geht garnichts mehr, nicht mal mehr Spitzenleistung.
Ziel muss es sein, möglich viel durch einen möglichst kleinen Kanal durch zu bekommen, also quasi die Aerodynamik zu verbessern. Genau aus dem Grund mache ich mir den Aufwand mit dem 3D CAD der Kanäle und Flow Bench ist dann nur ein zusätzliches Werkzeug.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Grüße Euch,
ich fang dann erstmal klein an mit der Geschichte zur Masterarbeit.
Als Erstes möchte ich mich recht herzlich bei Martin N. und Alexander M. für die Unterstützung bei der Nockenwelle und bei Felix W. bei der Hilfe mit der Simulation bedanken. Man kann nicht alles wissen, aber man sollte zumindest wissen, wer es weiß :mrgreen: Und nicht zu vergessen, unser Chefkoch für den erstklassigen Megasquirt Support!
Allgemeiner Hinweis vorweg, es können leider keine Diagramme oder Bilder aus Fachliteratur gepostet werden, die in dieser Arbeit verwendet wurden. Möchte natürlich keine Urheberrechtsverletzungen verursachen und ihr wisst ja, wie unangenehm die Jura Jungs da sein können. Deshalb wird sinngemäß ähnliches Material verwendet, also nicht wundern beim Diagramm aus Indien :wink: Die meisten Bilder sind sowieso hausgemacht und daher kein Problem.

Starten wir doch erstmal damit, wie das Thema zu mir gekommen ist. Eigentlich habe ich mich schon um die zwei Jahrzehnte mit solchen Themen beschäftigt. Warum schüttet man Benzin in einen Motor oben rein und hinten kommen so unterschiedliche Ergebnisse raus? Die Formel1 V10-Sauger von 2005 hatten bis zu 330PS pro Liter mit beachtlich guter Effizienz, während ein alter amerikanischer V8 mit 6.7 Litern oft nicht mal insgesamt 330PS schafft und beim Dahinschleichen schon einige Dutzend Liter auf 100 schluckt. Warum ist das so? Der Sprit hat doch immer den gleichen Energiegehalt, es scheint aber trotzdem große Unterschiede zu geben.
Oft waren es auch solche AUTO-MOTOR-SPORT mäßigen Gespräche im Umfeld, wie "mein Fahrzeug ist so sparsam, ich bin mit einem Verbrauch von 5l/100km gefahren", die mich zum Nachdenken gebracht haben. Denn wenn man im Durchschnitt nur 10PS abgibt, dann sind 5l Verbrauch eigentlich ziemlich verschwenderisch. Das geht doch auch besser. Meine Behauptung war gerne, wenn man in Geschwindigkeitsbereichen fährt, wo der Luftwiderstand noch nicht der dominierende Faktor ist, dann wäre dieselbe Fahrt auch mit einem Verbrauch von knapp unter 2l/100km möglich. Kann man sich ja ausmalen, wie sehr mir diese Behauptung um die Ohren gehauen wurde.
"Die Ingenieure beim Hersteller sind doch nicht blöd, das hätten doch längst schon alle, wenn es so einfach wäre!" etc.
Mit der Argumentation gebe ich mich aber nicht zufrieden. Also warum nicht ein bisschen extra Aufwand in die Masterarbeit stecken und schauen wie es denn wirklich ist? Wenn es dann auch bei "einem bisschen" geblieben wäre :lol:
Betrachten wir mal kurz den grundlegenden Vorgang. Man sieht hier ein exemplarisches Diagramm von einem Sauger Benziners, welches das abgegebene Drehmoment über die Drehzahl darstellt. Unter der Kurve befinden sich die Wirkungsgrad Bereiche, wie viel im Kraftstoff enthaltenen Energie in potenziell nutzbare mechanische Arbeit gewandelt wird. Man sieht den Bestpunkt von 35% bei ungefähr halber Drehzahl in der oberen Lasthälfte, das ist ein übliches Verhalten bei gut ausgenutzten Motoren.
Das würde zB. bei einem 200PS Bike einen Bestpunkt von ungefähr 100PS Leistung ergeben. Damit könnte man um die 230km/h fahren und wie jeder weiß, das ist nicht gerade "Sparsam". Eigentlich per Definition ja schon, denn man erzeugt sehr effizient eben viel Leistung, nur ist die Menge der Leistung hoch und man verbraucht diese vorallem für den Luftwiderstand und nicht für Distanz.
Stattdessen denkt man instinktiv, man müsste ganz langsam fahren, um effizient zu fahren. Das ist genau der Knackpunkt, denn dafür ist der Motor nicht ausgelegt. Man sieht im Diagramm unten den Bereich mit Pfeil von unter 10% Motorleistung, welcher auch nur um die 10% Effizienz hat. Es wird also 3,5x so viel Kraftstoff für die gleiche Menge an Arbeit aufgewendet (normal in Gramm Kraftstoff pro kWh angegeben). Man bläst also die Kraftstoffenergie vorallem zum Auspuff und über den Kühler hinaus, nicht für den Vortrieb. Durch die geringe abgefragte Leistung ist aber die Menge an verbrauchtem Sprit auch insgesamt kleiner und dadurch entsteht der Trugschluss der Effizienz. Es sind also beide Zustände nicht gerade vorteilhaft, um an der Tankstelle günstig weg zu kommen und genau an diesem Gedanken wollte ich ansetzen.

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Quelle: Rolf Gloor

Jetzt wäre es natürlich nur logisch, einen ganz kleinen Motor zu verwenden, welcher auf der Landstraße bereits im Bestpunkt laufen würde. Aber darüber kann man keine wissenschaftliche Arbeit schreiben und so eine lahme Gurke will wahrscheinlich auch niemand haben :mrgreen:
Mein Ziel war es erstens den effizienten Lastbereich nach unten zu schieben (nicht ~80% Drehmomenthöhe), als auch die Effizienz des Motors insgesamt zu steigern. Details dazu kommen noch ausführlich. Um eben keine langweilige Gurke zu erzeugen, sollte der Motor auch einen sportlichen "Normalmodus" haben, zu dem gewechselt werden kann. Und so kommen wir dazu, warum der Yamaha 660ccm Motor ausgewählt wurde. Er ist nicht nur einfach und robust, hat eine Wasserkühlung und Ausgleichswelle für den Prüfstand essentiell, sondern hat vorallem getrennte Einlasskanäle und dafür separate Nocken. Diese können verschiedene Zwecke erfüllen, eine für Sparsam und eine für den normalen Leistungsmodus. Soweit der Plan.

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Die Nutzung des einzelnen Kanals wird für den sparsamen Modus verwendet und hat vorallem den Zweck der Turbulenz mit hoher Strömungsgeschwindigkeit und spezieller Form, denn das Original ist nicht brauchbar. Das mag auf den ersten Blick wie graue Theorie aus Büchern wirken. Den Einfluss davon auf die Verbrennung ließ sich aber schon bei den RS660 Inlays beobachten, damit kann man einen starken Einfluss haben. Muss natürlich entsprechend ausgelegt werden.
Dazu kommt, dieses eine Ventil liegt an der Seite vom Brennraum und es entsteht eine Art Tornado für die Ladungsdurchmischung. Hier ein Beispiel zur Verdeutlichung. Man möchte auch hier eine möglichst hohe Verbrennungsgeschwindigkeit erreichen. Details dazu folgen.

Bild
Quelle: petrolheadgarage.com

Aber auch das alleine wäre nur erweitertes Motortuning, dafür gibt wohl kaum ein Prof. seinen Namen her und einen Platz am begehrten Motorenprüfstand, den bekommt man damit erst recht nicht. Was kann man also tun?
Genau, die Sache etwas interessanter machen! :D
Wie oben erwähnt, sollte der Wirkungsgrad um eine ganze Ecke verbessert werden, im Vergleich zu normalen Benzin Motoren. Dafür wurde der sogenannte Miller-Verbrennungszyklus angewendet, der vereinfacht gesagt, den Ansaugweg des Kolbens verkürzt, aber den Expansionsweg lang belässt. Das bringt zwar einige Eigenheiten und auch Probleme mit sich, aber alles zu seiner Zeit.
Das ist zumindest ein grober Umriss, worum es bei der Masterarbeit ging.

Den Motor zu beschaffen war gar nicht so einfach, der war/ist bei den SingleCup's recht beliebt und deshalb sind die Triebwerke unverhältnismäßig teuer. Daher wurde kurzerhand eine ganze MZ Baghira 660 mit dem Yamaha Motor gekauft.

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Der Motorblock wurde erst einmal überholt, um den größeren Belastungen auch sicher standzuhalten. Die Kurbelwelle wurde auseinander gepresst und ein verstärktes Pleuel mit Bronzebuchse am oberen Auge eingesetzt. Normal läuft dort Stahl auf Stahl, was nicht standhält mit teilweise schlechter Schmierung.

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Bald geht's weiter mit der Entwicklung von dem interessanten Teil des Motors. Bis dann!
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Black Jack »

Ich bin gespannt...
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von doctorvoll »

Cool. Sag mal machst du so Dinge wie KW auseinanderreißen auch selbst? Oder musst du für jeden deiner Schritte durch die Gegend rennen?
......die einen betreiben Rennsport- die anderen reden nur darüber.....
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Henning #17 »

Black Jack hat geschrieben: Sonntag 16. Februar 2025, 23:09 Ich bin gespannt...
Ich auch 8)
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

doctorvoll hat geschrieben: Montag 17. Februar 2025, 06:36 Cool. Sag mal machst du so Dinge wie KW auseinanderreißen auch selbst? Oder musst du für jeden deiner Schritte durch die Gegend rennen?
Hey grüß Dich :D
Da triffst Du einen Punkt. Selber können, ist noch nicht selber (bei sich) machen. In dem Fall ist es wirklich nicht tragisch, eine gebaute Kurbelwelle zu trennen, mit den neuen Teilen wieder zu verpressen und dann zu richten. Allerdings habe ich keine 20t Presse in meiner Werkstatt, also musste ich damit einen Freund besuchen.
Bei solchen Projekten ist das Ausführen der Arbeit eigentlich immer der kleinere Teil, den Motor überholen gehörte aber natürlich nicht zum Projekt und war nur eine Vorbereitung. Am meisten Zeit nimmt die Planung und Suche nach Problemlösungen in Anspruch. Das Werkstatthandbuch hilft einem leider sehr wenig bei sowas.
Ich hatte auch mal das genaue Gegenteil, ein Trackbike kam im Transporter zu mir und musste am nächsten Tag mit frisch überholten Motor wieder weiter zum Rennen. Sprich Motor raus, alles Putzen, Prüfen, Tauschen, wieder zusammen, kurz Kompression testen und zurück ins Chassis. Die Nacht war dementsprechend ziemlich kurz. Hat zwar alles geklappt am Ende, aber schön ist sowas für mich nicht, von A-Z die Arbeiten nach dem Handbuch auszuführen, ich denke auch mal gerne in Ruhe nach. Also Mechaniker im Werksteam wird aus mir definitiv keiner mehr :wink:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Teil 2

Lasst uns vielleicht doch erst einmal den Hintergrund zu dem Miller-Zyklus genauer betrachten. Was ist das und warum wird der eingesetzt? Mit der Aussage alleine, der Ansaugweg wird verkürzt, darunter kann man sich jetzt wenig drunter vorstellen.
Im Jahr 1882 hat sich ein genialer Kopf namens Atkinson Folgendes ausgedacht, um das Patent vom Ottomotor zu umgehen:

Bild
Quelle: commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Atkinson_Engine_with_Intake

Er hat den bestehenden 4-Takt Prozess angewendet und einen Kurbeltrieb entwickelt, der nur kurz ansaugt, aber lang expandiert, schön in der Grafik veranschaulicht. Auf diesem Prinzip basiert sowohl der Atkinson, als auch der Miller-Zyklus. Thermodynamisch betrachtet sind beide eng verwandt. Jedoch wird das heute nicht mehr über so eine Kurbelwelle umgesetzt, sondern über die Steuerzeiten der Nockenwellen. Den ursprünglichen Atkinson-Kurbeltrieb mit den heutigen Drehzahlen, das kann man sich nur schwer vorstellen.
Hier der direkte Vergleich zwischen Miller- (frühes Einlass schließen vor UT) und dem Atkinson-Verbrennungszyklus (sehr spätes Einlass schließen nach UT)

Bild
Quelle: media.springernature.com/lw1200/springer-static/image/art%3A10.1007%2Fs35146-015-0110-0/MediaObjects/35146_2015_110_Fig1_HTML

Die linke Achse im Steuerzeiten Diagramm ist der Ventilhub und unten die Position der Kurbelwelle. Nachdem der Kolben unten im UT war, schiebt er durch das geöffnete Auslass Ventil das verbrannte Gas hinaus, das ist wie immer. Oben im OT in der Ventilüberschneidung, ist auch der Einlass gleichzeitig leicht geöffnet, für den Gaswechsel und Anregung der Gasdynamik, auch das noch normal. Üblicherweise fährt der Kolben dann nach unten und durch das geöffnete Einlass Ventil wird ansaugt. Die Gassäule im Einlasskanal ist träge und hat kinetische Energie gespeichert, so kann sie noch etwas nach UT den Brennraum ein kleines bisschen extra füllen, um sogar etwas über 100% Liefergrad zu kommen. Erst danach kommt die Komprimierung und Verbrennung, sieht man hier nicht am Diagramm, nur eine Info für den Ablauf. Es ist also normal, dass der Einlass erst etwas nach dem UT geschlossen wird, aber in engen Grenzen.
Der Atkinson Zyklus treibt das jetzt auf die Spitze und lässt das Einlassventil einfach noch länger offen, während der Kolben wieder nach oben fährt. Das Benzin-Luft-Gemisch wird dann zurück in den Einlass gedrückt und die Brennraum Füllung sinkt, der Ansaugweg wird entsprechend verkürzt. Man sieht im unteren Diagramm den Liefergrad über den Einlass Schlusspunkt. In dem Beispiel ist der Brennraum beim Atkinson nur noch zu 2/3 gefüllt, genau das möchte man auch erreichen. Das Ganze mit der Nockenwelle entsprechend umzusetzen, ist recht einfach. Länger offen lassen entlastet die Ventilfeder und die Kinematik vom Ventiltrieb, da einfach mehr Zeit zur Verfügung steht.
Jetzt kommen wir zum Miller Zyklus. Der kommt im Diagramm auch auf 2/3 Füllung. Aber im Gegensatz, schließt er das Einlassventil schon deutlich bevor der Kolben unten angekommen ist. Bedeutet, um das Ventil zu öffnen und wieder zu schließen, da bleibt nur sehr wenig Zeit. Möchte man jetzt trotzdem einigermaßen großen Ventilhub zusammen bekommen, dann muss man scharf an die Beschleunigungsgrenze gehen und bewegt sich am Rande, was das Material aushält (Hier im Diagramm nicht gezeigt, Serien Verlauf beim Öffnen). Warum man das möchte, kommt gleich.
Erst einmal die Frage, warum man diese Verbrennungszyklen überhaupt benutzt. Neben der Wirkungsgraderhöhung gibt es auch den Vorteil der sogenannten Entdrosselung. Damit ist allerdings nicht die 48PS Drossel für 18-jährige gemeint :mrgreen:
Wie wir wissen, wird ein Benziner über eine Quantitätsregelung in Last und Drehzahl gesteuert. Die Zusammensetzung des Gemisches bleibt also immer nahe Lambda 1, während sich die Luftmasse und -dichte im Brennraum durch Drosselung verändert. Dabei gibt es ein großes Problem, es wird Unterdruck zur Umgebung mit der Drosselklappe erzeugt. Man benutzt die Klappe eigentlich dauernd, außer bei Vollgas und der Unterdruck wirkt beim Ansaugen auf den Kolben, während unten im Kurbelgehäuse der normale Druck herrscht. Hört sich erst einmal nicht wild an, da können aber schnell ein paar kW an Leistung dafür geschluckt werden, die von der erzeugten Power an der Kurbelwelle abgezogen werden müssen. Und jetzt kommen wir wieder ganz zum Anfang des letzten Beitrages mit dem Diagramm über den Wirkungsgrad und Spritverbrauch, der im Teillastbereich schnell mal 3,5x so groß (oder größer) sein kann, wie im Bestpunkt. Dieser Drosselvorgang ist einer der Hauptgründe, für den schlechten Wirkungsgrad im Teillastbereich.
Jetzt schauen wir uns eine weitere Diagramm-Form an, die wird später noch wichtig, das pV (Druck, Volumen) Diagramm. Es zeigt in der Höhe den Druck im Brennraum und nacht rechts das Volumen was der Kolben in der Position freigibt, (kurze Erklärung). Man kann dem Motor bei der Arbeit zusehen und das im wahrsten Sinne, denn die Fläche der oberen Arbeitsdruck-Schleife gibt an die Kurbelwelle Arbeit ab und die untere Ladungswechsel-Schleife entzieht sie ihr. Naturgemäß wollen wir also viel Leistung bekommen und wenig aufwenden für den Ladungswechsel, die untere Schleife soll also eine kleine Fläche haben.

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Quelle: spektrum.de/lexikon/physik/verbrennungskraftmaschine

Vergleichen wir mal den normalen Otto-Zyklus im Teillastbetrieb mit dem Miller Zyklus (Atkinson wäre fast gleich). Die rote Otto-Schleife ist riesig in der Fläche, was eben genau dieser besagte Unterdruck auf den Kolben verursacht und der Gegendruck beim Ausstoßen. Es muss also ordentlich Arbeit zum Drehen des Motors reingesteckt werden. Wohingegen der Miller Zyklus eine viel kleinere Fläche hat, denn hier kommt der Knackpunkt, die Drosselklappe kann geöffnet werden. Die Füllung wird ja über die Ventilschluss Zeit vom Einlass bestimmt und somit muss nicht gedrosselt werden, clever!

Bild
Quelle: quizlet.com/de/grundlagen-der-technischen-verbrennung

BMW setzt das übrigens schon seit 2001 ein mit der vollvariablen Valvetronic Ventilsteuerung.
Man sieht auf dem Diagramm auch die Besonderheit vom Miller Zyklus, diesen schrägen Haken bei ES (Einlass schließt). Der bedeutet das Volumen steigt an, aber der Druck sinkt. Die Ventile sind ja geschlossen und somit zieht es das Gas auseinander, dadurch kühlt das Gemisch zum Verdichtungsbeginn vorher ab. Das ist für mich wichtig, um nicht zu nah an die Kopfgrenze zu kommen, wo sich das Gemisch durch zu hohe Temperatur lokal selbst entzündet und den Motor sprengen kann. Beim Atkinson wird bereits im Brennraum aufgeheiztes Gas in den Einlass zurückgeschoben und dann ein zweites Mal vorgewärmt angesaugt. Die Thermodynamik gibt einem da schöne Werkzeuge, um abzuschätzen welche Druck und Temperatur sich nach der Verdichtung in einem bekannten Volumen einstellen. Dazu braucht man Anfangstemperatur/Druck und das Kompressionsverhältnis. Jetzt kommt der sogenannte Isentropenexponent ins Spiel, der beschreibt wie sich ein Gas bei Kompression im abgeschlossenen Raum in Druck/Temp verhält. Das hängt vorallem an den Freiheitsgraden der Atome des Gases ab. zB. Argon ist 1-atomig und hat mehr Freiheit als ein 2-atomiges O2 Molekül (Erklärung). Ideale Luft wäre bei 1,4 und im Motor ermittelt man bei echtem Gemisch um die 1,36 als Isentropenexponent. Um sich das besser vorstellen zu können, ein kleines Beispiel:
Nimmt man das Gemisch mit 35°C im Zylinder an und verdichtet es mit 13:1, dann kommen wir somit auf eine Temperatur von 500°C, das ist eine Hausnummer. Das gibt einem die Möglichkeit abzuschätzen, wann es kritisch nah man am Klopfen dran ist. Beispielsweise eine aufgeheizte Airbox macht da schon einen ordentlichen Unterschied, denn 10°C mehr vor dem Verdichten, sind hier 28 Grad mehr nach dem Komprimieren, ein wichtiger Effekt. Warum erzähle ich das?
Wenn man Isentropenexponent heranzieht, dann kann man angenähert berechnen, was nach der Verdichtung passiert, wenn man dann zündet und das ist ja, was uns am Ende wirklich interessiert. Dann sieht man recht schnell, umso mehr man das Gemisch verdichtet, umso stärker die Verbrennung. Das ist genau dieser '10° wird zu 28° mehr' Effekt. Solange bis es eben klopft, was die Grenze darstellt. Und da kommt der nächste Knackpunkt, da der Miller/Atkinson Zyklus deutlich weniger in den Brennraum bekommt, kann man ihn höher verdichten. Ein weiterer Baustein für die Wirkungsgrad-Erhöhung. Und so kam es, dass mein Versuchsmotor statt den serienmäßigen 8,7:1 eine Verdichtung von 14,2:1 bekommen hat.

Jetzt schauen wir uns mal ein echtes Beispiel an. Bei Toyota/Lexus sind die Atkinson Motoren seit über 20 Jahren im Betrieb. Hier ein Effizienz-Diagramm vom Toyota Prius 3 mit 1800ccm Vierzylinder.

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Quelle: priuswiki.de

Die hellblaue Linie zeigt, wie das Automatikgetriebe den Motor belastet, um möglichst im effizienten Bereich zu sein. Allerdings gibt der Motor gerade einmal 140Nm maximal ab. Das würde eigentlich auch ein 1200ccm Sauger Benziner schaffen, da zeigt sich die geringere Füllung vom Atkinson Zyklus. Wenn man sich allerdings den Bestpunkt ansieht, dann sind das 220g/kWh, was beim unteren Heizwert von Superbenzin einem Wirkungsgrad von 40% entspricht. Der aktuelle Toyota mit Direkteinspritzung kommt sogar auf 41%. Normale Benziner Sauger liegen im Bereich 36-37%. Und man sieht auch wie langsam der Wirkungsgrad nach unten abnimmt in den Teillastbereich hinunter, da ist der Toyota deutlich besser, als ein normaler Motor mit Drosselung. Und das schlägt sich im Verbrauch nieder, wo der Prius in der Stadtfahrt gerade mal die Hälfte oder weniger verbraucht bei Niedriglastfahrten. Allerdings hat er durch den extrem späten Einlass Schluss bei geringer Drehzahl überhaupt kaum Kraft. Bei 1500 Umdrehungen sind es 90Nm aus dem 1.8 Liter Triebwerk. Deshalb benötigt er die Unterstützung der Elektromotoren vom Hybridsystem.
Der Miller verhält sich durch den frühen Einlass Schluss genau anders herum, er hat seinen größten Druck kurz nach dem Standgas und fällt danach rapide ab. Deswegen wird er heutzutage nur mit Turboaufladung zusammen konzipiert, wie zB. die VW evo Miller-Motoren.
Man muss also ganz klar sagen, für die normale Anwendung mit breitem Drehzahlband, da bietet sich vorallem der Atkinson-Zyklus an. Warum setze ich jetzt auf den Miller?
Erstens kann ich ja schlecht einen alten Hut kopieren, da hätte sich der Formel1 Professor garnicht erst auf mich eingelassen. Ich wollte das Ganze eben auch verbessern.
Der Atkinson kann hoch drehen und einigermaßen viel Leistung (in Richtung 100PS/Liter) erzeugen. Dafür braucht er aber auch entsprechend große Ventile und Kanäle, um die Luftmasse dafür durch zu bekommen. Das verschlechtert aber wieder den ganzen Bereich unterhalb der Leistungsdrehzahl. Das ist für mich also uninteressant.
Mein Konzept war es, sowohl die Steuerzeiten des Miller Zyklus auf einen Bereich auszurichten, als auch die Strömungsturbulenz in diesem Bereich sehr hoch zu bekommen, durch entsprechende Einlass Auslegung.
Das war für den Moment erstmal viel auf einmal, ich habe versucht nicht zu tief in die Thematik abzutauchen und eher einen Überblick zu geben. Bei Fragen gerne antworten oder eine PN schreiben.
Jetzt seid ihr quasi Experten auf dem Gebiet und es kann endlich mit der Umsetzung losgehen :D
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von slonegan »

Selten dass ich mal was über den Atkinson-Motor lese.
Ich fahr den in meinem Honda HR-V
Und danke für die Auffrischung des Prinzips und dem Vergleich mit dem Miller, da war mir doch einiges schon wieder entfallen nach der Ausbildung :(
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