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Mein erster Cup - Die Erfüllung eines Traums

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Re: Mein erster Cup - Die Erfüllung eines Traums

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Beitrag von Chris79 »

Oschersleben - Die Vorbereitung

Nach dem kleinen Malheur beim DLC in Hockenheim (wer will, kann sich das Reel auf meinem Insta-Account ansehen), stand ein wenig Reparatur bei der Fireblade an. Um die Lenkerstummel samt Schelle zu tauschen, muss zu meinem Unwissen die Gabelbrücke runter – doof nur, dass mein Aufsatz-Sortiment bei Größe 36 endet. Also wurde kurzerhand nur der Stummel gewechselt. Wie man sieht mit nem Griffgummi von der Kawa den ich noch rumliegen hatte. Nicht schön, aber selten. Den kompletten Gilles-Satz gibt’s dann eben erst im Winter. Vielleicht sogar besser so – diese Saison war nicht viel mit Sitzenbleiben. Ich greif mal vor: Es gab wohl nur eine Veranstaltung bei der es mich dieses Jahr nicht auf die Nase gelegt hat.
Gabelbrücke.jpg
Nicht schön aber.jpg
Die Anfahrt war wie immer… sagen wir speziell. Mental häng ich da jedes Mal, weil man für die letzten 80 Kilometer fast genauso lange braucht wie für den halben Weg davor. Wer schon mal über die A71 reingefahren ist, weiß, was ich meine. Dafür war diesmal die ganze Boxencrew am Start, was wiederum eins garantierte: Langeweile kommt garantiert nicht auf. Wer lernen will, wie man mental in Sekundenschnelle den Fokus wechselt, sollte so eine Mini-Crew beschäftigen. Eben noch Schrauber im schnellsten Rennteam der Welt, und bis zur Boxenausfahrt musst du in den Tunnel als Fahrer umschalten. Das hält den Kopf auf Trab.

Tag 1

Die Wettervorhersage? Eher unbeständig. Most lässt Grüßen. Im Lauf der Woche wurde sie zwar besser, aber am Freitag war Regen praktisch unvermeidbar. Vormittags ging’s noch – ab Turn 2 war die Strecke dann nass, und pünktlich zur Mittagspause drehte der Wind das Regengebiet nochmal zurück. Danach hat’s richtig runtergehauen. Klar, da kam kurz die Überlegung auf, mal Regenreifen aufzuziehen. Aber mit Blick auf Samstag und Sonntag (trocken angesagt) war das Risiko einer „Kaltverformung“ den Aufwand einfach nicht wert.

Am Ende des freien Fahrens kam glücklicherweise die Sonne voll raus, die Orga ließ die Strecke noch eine Weile offen, und bis auf ein paar feuchte Stellen war’s dann richtig geil zu fahren. Ich konnte direkt einen Doppelturn mitnehmen und war sofort wieder bei meinen alten 37er Zeiten, die ich schon mit der Kawa gefahren war. Perfekt, um reinzukommen.

Eigentlich egal bei einem 3-Tages-Event, wenn mal ein paar Turns ins Wasser fallen – nur war’s diesmal halt "faktisch" ein Zweitages-Event. Freitag und Samstag volle Fahrzeit, Sonntag nur 15 Minuten Warmup und dann früh am Nachmittag das Rennen. Sonntag und Montag hätte es zwar noch ein Extra gegeben, aber das hatte ich schlicht nicht auf dem Schirm. In meinem Kopf ist abgespeichert: GMM = 3 Tage. Punkt. Etwas schade, und ich war damit sicher nicht der Einzige.

Tag 2 - Raceday 1

Der Samstag zeigte sich von seiner besten Seite: Sonne, perfekte Bedingungen, alles angerichtet. Ich hatte mich im Laufe des Vormittags bis auf eine 1:36 vorgearbeitet – aber die 35 wollte einfach nicht fallen. Eigentlich hatte ich mir sogar die 34 als Ziel gesetzt, aber so weit kam’s das ganze Wochenende nicht. Schnelle Hinterräder hatten sich nicht ergeben und die kostbare Fahrzeit wollte ich auch nicht in einem Instruktorturn verbraten. Einfach deshalb, weil man aufgrund der wenigen Turns eh nicht mehr am Ergebnis arbeiten konnte. Ich wusste ja, woran’s lag. Am Ende blieb es bei der 36, aber immerhin reichte es auf der Qualifikationsliste für die erste Seite– Startplatz 29 war gesichert. Es sind die kleinen Dinge 😎.

Mit frischem Hinterrad konnte dann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Daher habe ich ganz intensiv gehofft, dass Blipper und Quickshifter nicht wieder aussteigen. Da die Elektronik Experten alle im Urlaub waren, konnte ich im Vorfeld auch nichts mehr daran ändern. Im Prestart rollte ich also ganz entspannt los. Und siehe da, auch im echten Start: Alles hielt. Außerdem wusste ich, dass ich im Notfall einfach durch unqualifiziertes rumspielen und wechseln der Programme, gepaart mit einem kurzen Zündung an/aus die Elektronik in 90% der Fälle wieder auf Kurs bringen kann. Das geht auch noch am Start.

Der echte Start kam – und der war richtig gut! Elektronik stabil, mehrere Plätze direkt gewonnen, und sofort meinen Rhythmus gefunden. In den ersten beiden Runden schnappte ich mir noch den nächsten und hing kurz darauf direkt hinter meinem nächsten Vordermann. Vorne fuhr das Feld schon 34er Zeiten, noch in Sichtweite, aber für uns beide nicht wirklich greifbar.
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Nach weiteren zwei Runden war klar: Auch an meinem Vordermann werde ich nicht mehr vorbeikommen. Einmal war ich fast dran, richtig dicht, aber er hat’s wohl gespürt – und einfach die Pace hochgeschraubt. Zack, 35er Zeiten. Genau die Mauer, an die ich nicht mehr rankam. Einfach weil ich an den entscheidenden Stellen zu viel Respekt hatte. Oder umgangssprachlich: die Hosen voll. 🤷‍♂️

Und so kamen wir ins Ziel: Platz 23! Alles aus eigener Kraft. Freu ich mich heute noch drüber :-)
Ergebnis Lauf 1.png
Ergebnis Lauf 1.png (16.62 KiB) 118 mal betrachtet
Tag 3 - WarmUp

Sonntag war Fahrzeit quasi nicht existent – nur ein 15-Minuten-Warmup um 11:15 Uhr. Bis dahin wurde die Boxencrew bei Laune gehalten, die Honda geputzt und vorbereitet, und zufällig ergab sich ein Gespräch mit Dorian. Ich meinte so nebenbei, dass ich mich nicht wirklich traue, am Gas zu reißen. Keine zwei Minuten später kam er mit seinem Werkzeugkoffer hinterher und legte Hand an. Ja, warum eigentlich nicht? Das ging so schnell, ich konnte nicht mal nein sagen.

Er drehte ein bisschen die Gabelvorspannung höher, die Zugstufe härter und stellte das Heck tiefer und die passte die Dämpfung an. Mein Hauptproblem war ja: Es fühlt sich ständig so an als würde es hinten wegrutschen. Mit den Änderungen ging’s dann raus ins Warmup … und ich zog direkt 35er Zeiten, eine nach der anderen.

Das Motorrad lag plötzlich wie ein Brett in Schräglage. Zum ersten Mal hatte ich wirklich das Gefühl, exakt zu spüren, was das Bike in der Kurve macht – und vor allem, was das Hinterrad macht, wenn ich ans Gas gehe. Ich dachte ja vorher schon die Fahrwerksänderungen wären der Hammer. Aber das es noch besser geht hatte ich gar nicht in Erwägung gezogen.

Tag 3 - Race 2

Nach dem Warmup war ich eigentlich schon auf Wolke sieben. Aber weil ich das Kunststück vollbracht hatte, im ersten Rennen auf Platz 23 zu fahren – allerdings mit der langsamsten schnellsten Runde der Gruppe die ich im ersten Rennen alle überholte – durfte ich zur Belohnung für Rennen 2 von Startplatz 30 statt 29 los. Was für eine bescheuerte Regel. Das ärgert mich bis heute. Warum nicht einfach in der Reihenfolge des Zieleinlaufs starten? Wofür strengt man sich dann überhaupt an, wenn man den Benefit nicht mitnehmen kann? Falls sich 2026 etwas ändern soll: bitte genau das!

Fürs zweite Rennen hab ich dann mal den Power Performance Slick in Medium draufgezogen. Einfach, um ihn wenigstens einmal zu fahren. War ja eh das letzte Rennen, also wurscht. Start: wieder top, Elektronik hielt, und wie im ersten Lauf konnte ich direkt Plätze gutmachen. In der ersten Runde reihte ich mich hinter einer schwarz-orangen Yamaha ein. Der Typ hatte auch einen Raketenstart hingelegt, aber ich wusste: eigentlich fahr ich schnellere Zeiten.
Start Rennen 2.JPG
Und dann kam’s anders: Zwei Runden lang hing ich wie festgetackert hinter ihm. In den Kurven stand er mir voll im Weg, und rausgeschossen ist er wie eine Kanonenkugel (mein Gasgeben-Problem ist ja bekannt, auch wenn es nach der Fahrwerksanpassung schon deutlich besser war). Vorbei kam ich nicht – egal was ich probierte. 🤦‍♂️ Das hat mich so aus dem Rhythmus gebracht, dass ich Platz um Platz verlor … bis ich plötzlich vorletzter war.

Mit ordentlich Wut im Bauch hab ich mich dann im Shell-S am Vordermann vorbeigequetscht. Und direkt davor: mein „Endgegner“ – die schwarz/orange Yamaha. Ich hatte null Blick mehr für die Rundenzahl, weil mich 10 Runden mittlerweile körperlich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Sonst hätte ich’s vielleicht gelassener angegangen.

Also: Angriff vor der Hasseröder. Neben ihn gesetzt – dachte ich zumindest. In Wahrheit war da kein Platz. Er zog mir voll rein. Und bevor ich riskierte, einen Kollegen mitzureißen, hab ich den Weg ins Kiesbett genommen. Bewusster Umfaller vorm Reifenstapel, ein paar saftige Flüche – und dann wollte ich wenigstens noch fertig fahren.

Aber die Streckenposten hatten andere Pläne. Sie ließen mich nicht mehr zurück auf die Strecke. Und so stand am Ende: DNF als letztes Ergebnis dieser Saison. Bitter, aber wenigstens selbst entschieden.
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Da ich entsprechend geladen war, hab ich noch eine kleine Diskussion mit dem Streckenposten vom Zaun gebrochen – wofür ich später bei der Racecontrol anständig um Vergebung bat. Und siehe da: Segnung und Vergebung wurden mir gewährt. Am Ende konnten wir sogar drüber lachen. Sorry nochmal – weiß bis heute nicht, was mich da geritten hat. :roll:
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Ergebnis Lauf 2.png (10.12 KiB) 118 mal betrachtet
Fazit zur Saison

Diese Saison war einfach der Hammer. Vor allem, weil ich sowohl beim DLC als auch bei der GMM am Start sein konnte. Gut, das DLC-Finale steht ja noch aus – aber 11 Veranstaltungen in einem Jahr sind schon ein echtes Brett.

Organisatorisch ist das Ganze allerdings auch eine echte Herausforderung: Familie, Beruf und den eigenen fahrerischen Anspruch unter einen Hut zu bekommen, ist nicht ohne. Deshalb an dieser Stelle ein riesiges Dankeschön an meine Familie – ohne euren Rückhalt wäre das alles nicht machbar.

Und die German Moto Masters? Fahrtechnisch richtig anspruchsvoll, aber gleichzeitig ein verdammt sympathisches Feld. Zumindest alle, die ich kennenlernen durfte. 😎

Stärken und Schwächen

Meine Selbstwahrnehmung sagt: Eine erste Saison auf hohem Cup-Niveau muss man erstmal verdauen. Mit dem DLC zusammen war’s vielleicht ein bisschen zu viel gewollt – trotzdem bin ich persönlich echt stolz darauf, neben all dem Alltagstrubel das Niveau der GMM so weit adaptiert zu haben, dass ich nicht als ständiges Schlusslicht 2 Sekunden hinter dem Feld herfahre.

Zwischendurch mal an den Top 20 zu schnuppern – und das bei nur drei Veranstaltungen – find ich absolut nicht schlecht. Klar, wenn ich mich mit Fahrern vergleiche, die in Brünn 6 Sekunden schneller unterwegs sind (RaceAnalyse lügt nicht 😉), dann wird auch klar, wo’s hakt:

Vor allem fehlt mir noch das volle Vertrauen ins Motorrad, den Gashahn früh und kompromisslos aufzudrehen. Dazu kommt die Geduld, die Linie so anzupassen, dass die Power wirklich in Vortrieb umgesetzt wird. Ich sehe das ja nicht nur in den Daten, sondern auch optisch und akustisch auf der Strecke: Die Jungs vor mir schaffen es einfach deutlich besser, die Leistung in Geschwindigkeit zu verwandeln.
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RaceAnalyse2.png (1.12 MiB) 118 mal betrachtet
Auch beim Überholen bin ich aktuell noch zu diplomatisch. Wenn mir jemand mit 1,5 cm Luft an der Verkleidung vorbeigeht, nehm ich das nicht krumm – würde ich denselben Move aber selbst machen, würd ich’s mir übelnehmen.

Gerade im letzten Rennen in Oschersleben hat sich das gezeigt: Eigentlich hätte ich direkt in der ersten halben Runde vorbei müssen. Stattdessen hab ich gezögert – und das Feld hinter mir hat mich konsequent aufgefressen. Auf diesem Niveau auch kein Wunder.

Wie gehts weiter?

Schon allein die Teilnahme hat mir einen Traum erfüllt. Jetzt möchte ich mein volles Potenzial ausschöpfen. Ob das am Ende Platz 20 oder Platz 5 bedeutet, weiß ich nicht – aber auch die aktuellen Top-Fahrer haben mehrere Saisons gebraucht, um dahin zu kommen. Ein Blick auf die Ergebnisse der letzten zehn Jahre zeigt das ziemlich deutlich.

Eins steht fest: Da geht noch einiges. Über den Winter wird die Honda komplett auf mich angepasst. Die „Bleistift-Sitzhaltung“ soll endgültig Geschichte sein. Die Elektronik wird so überarbeitet, dass man sie auch wirklich nutzen kann, das Eigengewicht weiter reduziert und mein Fitnesslevel noch eine deutliche Schippe höher geschraubt.

Darum hab ich mir für 2026 schon jetzt meinen Platz bei den GMM reserviert. 🚀

Wir sehen uns auf der Strecke! 🏁
2026 - German Moto Master
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