Dicke Wolken zogen auf und der dritte und letzte Aufruf fürs SEC Langstrecken Rennen hallte durchs Fahrerlager und mein schwarzer Kilobomber wurde von den Reifenwärmern befreit und vom Ständer runter gelassen. Mich errinnert dieser Vorgang immer an folgendes…
Hat jemand schon mal Amerkinisches Bullriding im Fernsehen oder live gesehen? Der Bulle steht bereit in seinem Käfig. Die Reiter wird aufgesetzt. Der Strick wird eng um die Hand geschlugen. Der Bulle schnaubt. Die Binde wird ihm von den Augen weggenommen. Die Augen weiten sich. Das Gatter wird geöffnet. Der Bulle tobt.
Ich setzte mich also auf meinen Bullen und fuhr in die erste von zwei Aufwärmrunden. Ich mag lockere Aufwärmrunden nicht. Ich muss es immer gleich läuten lassen. Sonst bin ich fürs anschliessende Rennen irgendwie nicht bereit. So tat ich denn auch, was getan werden muss und stellte meinen schwarzen Bullen in der Boxengasse an die Mauer, wo schon Flisi bereitstand an den Platz mit der Nummer 5.
Als alle Fahrer schon bereit standen befand der italienische Co-Veranstalter es als angebracht noch drei Motorräder auf die Strecke zu lassen (Bei der Boxen Einfahrt!!!) Die den letzten Call verpasst hatten. Eine neuerliche Energieverschwendung in schriftlicher Weise ist dieser Vorfall für mich nicht mehr wert. Er erntete von mir ein: "Du blöder @°!!#^$$!!!" Meine Lautstärke von ca. 134dB war der Situation angepasst. Schliesslich musste ich ca. 40 andere aufgebrachte Fahrer übertönen.
Da standen wir nun. Schätzungsweise 40 Teams waren am Start. Schon ein geiler Anblick wenn man links und rechts blickt. Die angespannten Mitzynder beobachtet. Alle in einer Reihe. Den Blick abwechselnd auf den eigenen Bullen und dann wieder zum Fahnenmann gerichtet. Stille. Jeder Muskel gespann. Einzelne Zwischenrufe der Zuschauer.
Just in diesem Moment errinnerte ich mich an ein sehr berühmtes Rennfahrer Zitat: "Soll ich losrennen wenn die Fahne unten ist, oder wenn er zuckt?" Ich rannte beim Zucken. Als einer der ersten kam ich bei meinem schwarzen Bullen an. Motor an, Kupplung schleiffen lassen und GAAAAAAAAAS. Die ersten paar Motorräder in der Startaufstellung kamen mit Ausnahme von mir alle relativ schlecht weg und so waren bereits ein paar der Teams hinter uns bis zur ersten Kurve an uns vorbei. Ich errinnerte mich an das Mantra vo Flisi wonach Langstreckenrennen in der ersten Runde gewonnen werden und überholte sogleich einige der Fahrer deren Platz im Feld meiner Ansicht nach hinter mir zu sein hatte.
Die Plätze waren nach den ersten 5 Runden bezogen und ich hatte mich hinter einer gelben R1 eingeordnet, befand mich Schätzungsweise auf dem 3 Rang. Wir legten mit 59er Zeiten gleich mal ordentlich zu. Ich hatte dennoch das Gefühl, schneller zu können als derjenige vor mir. Die ständigen Versuche an ihm vorbeizukommen, kosteten mich aber viel Kraft und so entschloss ich mich nach 10 Runden etwas Tempo rauszunehmen, weil mir der beinahe Kollaps von Pannonia nach 45 Minuten dauerfight noch allzugut in Errinnerung war. Es waren ja schliesslich noch 4 Stunden zu fahren. Es galt also die Kräfte einzuteilen.
Mein Turn von ca. 50 Minuten war auch schon bald zu Ende, die Warnlampe signalisierte einen Tank auf Reserve, die Boxentafel holte mich pünktlich an die Box zurück. Wechsel unspektakulär, die nächsten 50 Minuten sollte es nun Flisi und sein Godzilla richten. Die Wolken am Himmel wurden allerdings immer schwärzer und ich hegte schon ein gewisses Unbehagen wenn ich nach oben blickte. Es war relative klar, dass es in der nächsten Stunde beginnen würde zu schütten. Und zwar mächtig!
Damit im Regenfall keine Zeit verloren werden würde, entschieden wir uns dafür meine Räder auf Slicks bereits einmal auszubauen, damit man den zweiten Felgensatz einbauen könnte. Kaum waren wir damit fertig begann es auch zu regnen. Flisi schlug sich wacker, musste aber mit Slicks trotzdem bald an die Box. Es galt daher sich mit dem Wechsel der Räder zu beeilen. Hierfür ein fettes Dankeschön an Sandro und Chregu, die in Abwesenheit von Hellboy und Mäddie die Boxencrew für uns stellten! Der Einsatz war total! Ohne die beiden wären wir richtig aufgeschmissen gewesen.
Nach dem erneuten Wechsel fand ich mich also auf sehr feuchtem Terrain wieder. Immerhin hatte der Sturz bei Regen in Magny Cours endgültig meinen Regenknoten platzen lassen und ich fühlte mich sehr wohl. Konnte einige Fahrer überholen und alles in allem fühlte ich mich ganz gut. Bis…
2. Gang durchladen… ab 8000Rpm rataaa rataa rataaa
Schalten
3. Gang durchladen ab 8000 rpm rataaa ratatataa rataarara
Schalten
4. Gang dasselbe, wie auch im 5.
Verdammte Scheisse was war denn jetzt los? Waren das Zündaussetzer? Was war das für ein Ruckeln bei Vollgas?
Plötzlich dämmerte mir…
Ich hatte Flisis Felgensatz im Bike. Was war Flisi für eine Übersetzung gefahren? 16/42… richtig! Was war ich bis anhin gefahren`? 16/44… richtig? Hatten wir die Kettenspannung nachgezogen…richtig! Nein, hatten wir nicht! Ich konnte also nicht höher als 8000RPM drehen, weil sonst die Kette übers Ritzel gesprungen ist. Na toll! Wenigstens war das im Regen nicht allzu schlimm und ich verlor nur auf der Geraden etwas Zeit.
Plötzlich war eine Stunde vorbei… die Boxentafel winkte mich hinein.. Flisi stand bereit… Wechsel! Hoffentlich konnte Flisi seine elitäre Regenbegabung wieder ausspielen…
"...aber Marge, Versuchen ist der erste Schritt zu Versagen!"
~~Homer Simpson, Springfield 1998~~
…und Flisi konnte seine Regenbegabung wieder ausspielen. Runde um Runde zog er seine Bahnen durch das Wasser und legte dabei Sahne Zeiten vor, die es der Konkurrenz schwer machen sollten. Von Wasser auf der Strecke zu sprechen ist allerdings eine Farce in diesem Zusammenhang. Ich zählte etwa 34 einzelne Ozeane die auf den HungaroRing niedergegangen waren. Besonders in der ersten Rechts nach Start/Ziel, wünschte ich mir eine Kielführung an meiner K6. In der Schikane durfte man ja nicht den Schnorchel vergessen, da man sonst wohl ertrunken wäre bis zur Gegengeraden. Flisi hatte nicht nur eine Kielführung und Schnorchel, sondern allem Anschein nach auch Flossen dabei, so schnell wie er sich in der Sinntflut fortbewegte. Dass der Ungaroring neu apshaltiert worden war, und dass neuer Asphalt nicht die besten Nass-Grip Eigenschaften hat zeigte sich sehr eindrücklich an vielen "Eindrücken" im Kiesbett.
Infolge des fortwährenden Regens beschloss die Strecken- und Rennleitung das Rennen von 4 auf 3h zu kürzen. Uns machte es zwar Spass, aber die Entscheidung war angesichts der vielen Unfälle eindeutig richtig. Die Verkürzung der Renndistanz löste aber auch unsere Wechselstrategie in Luft aus. Vorgesehen, wären noch mindestens ein Wechsel gewesen. Dieser hätte aber wieder wertvolle Sekunden gekostet und so entschieden wir uns Flisi geschlagene 1h und 5 Minuten draussen zu lassen – und zu hoffen, dass der Sprit reicht. Unser Mathematik Genie aka Sandro rechnete und rechnete. Als langsam Dampf aus seinen Ohren strömte, meinte er gelassen, dass seine unglaublich komplizierten Berechnungen zum Schluss geführt hätten, dass er mit Sicherheit sagen könnte, dass …
es wohl verdammt knapp werden würde!
So fieberten wir alle an der Boxenmauer mit und zählten die verbleibenden Minuten bis zur Erlösung durch die karierte Flagge. Flisi spuhlte Runde um Runde ab und wir bangten alle zweieinhalb Minuten auf seine Rückkehr auf der Ziegeraden. Bis sie kam. Die Zielflagge! Flisi zog noch eine lässige Auslaufrunde und bog danach in die Boxengasse ein, wo ihm bei Box 1 der Sprit endgültig ausging. Tank leer, Sprit weg, Motor aus. In der Auslaufrunde in der Boxengasse! Alles andere wäre wohl sehr ineffizient gewesen! Gratulation an das Mastermind von Sandro! Der ist allerdings Club-Besitzer, er kennt sich also aus mit der Berechnung von Flüssigkeiten.
Nun wurde auch endlich klar welchen Platz wir eingefahren hatten! Das Grid-Display bei der Zeitmessung zeigte den zweiten Platz für das Team Gashammer an in der SEC Wertung. Knapp geschlagen vom Team Gnadenlos. Alles in allem war es offensichtlich ein sehr knappes Rennen, was sich darin äusserte, dass die ersten 4 Teams allesamt in der gleichen Runde waren (74 Runden).
Sehr glücklich über diesen Umstand tränkten wir unsere Freude mit einem kühlen Bier und nahmen mit Befriedigung zu Kenntnis, dass wir den Vorsprung auf den zweitplatzierten, das Team MRD-Racing in der Gesamtwertung um 9 Punkte ausgebaut hatten und somit immer noch auf Rang 1 platziert sind. Wir sollten das geniessen solange wir noch können. Schliesslich haben wir zur Zeit noch einen Lauf mehr auf dem Konto. Dies wird aber spätestens nach Most ausgeglichen sein und die Gesamtrechnung wohl wieder ganz anders aussehen.
Einige weitere sehr surreale Erlebnisse sollten am gleichen Abend auf uns zukommen…
Dazu muss man folgendes voraus schicken: a) Wir hatten zwei, der etwa 8 Doppelzimmer der Pension gemietet für uns vier. b) an diesem Abend fand in unserer Pension eine echte Ungarische Hochzeitsfeier statt mit ca. 10'000 Gästen.
Als wir uns also an mehreren Bieren und einem feinen Filet-Mignon labten offenbarte uns der Pensions-Mänätschär, dass wir wohl eines unserer Zimmer abgegeben müssten, weil er leider keinen Platz mehr für alle vier von uns hat. Wir nahmen dies allerdings dann sehr gelassen zur Kenntnis, als wir angeboten bekamen, dass zwei von uns die letzte Nacht im hauseigenen Fitnessraum verbringen durften. Wir entschlossen uns, uns vor der Fitnessraumüberraschung zur Beruhigung noch zwei weitere Bacardi Colas zu genehmigen.
Wer Flisi kennt, weiss, dass der Gute kein Kind von Traurigkeit ist. Offenbar wollte er dieses Vorurteil in einem weiteren Kraftakt am gleichen Abend eindrücklich untermauern. So waren es seine Worte um kurz nach 0:00 "Sooo, Jungs! Wer kommt mit in den Ausgang?"
Nach dem wir erst einmal lauthals loslachten, sah uns Flisi nochmal alle an und meinte mit verschwörerischer Gestik: "ich meine es ernst!"
Wir hörten auf zu lachen, kuckten erschrocken und leicht eingeschüchtert drein und schüttelten alle den Kopf.
10 Minuten später bestellte Flisi ein Taxi. Für sich allein.
Da standen wir nun also. Immernoch in unseren verschwitzten stinkenden Klammotten. Mitten in den Gästen der Hochzeitsfeier. In den Händen hielten wir unsere Bacardi Colas. Ich hielt zudem einen Aschenbecher in der Hand und Sandro unser Frühstück, dass uns der Koch bereits gemacht hatte. Belegte Brote mit Wurst und Käse. Mitten in der Hochzeitsgesellschaft. Ich kam mir vor wie in einem Parralleluniversum. Die Ungarische Volksmusik machte es nicht viel besser. Nachdem Flisi der Braut noch ein, oder zweimal einen schweinischen Blick zugeworfen hatte drückte er sich ins Taxi und rauschte davon. Die letzten Worte des Hotel-Mänätschär: "Bii Käärfuul, Budapest iiis weri deinschärääs for streiiinschäärs!" – verhallten ins leere. Er blickte uns traurig an und sagte nur noch "juuur fränd is very kreisii". Wir sagten "wiii nou" und gingen zum Fitnessraum.
Der Fitnessraum war das Nirvana meines Paralleluniversums. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es ein Fitnessraum hätte sein sollen, hätte ich spontan auf einen Porno-Dreh-Ort geschlossen. Mehrere ausgeleierte Ledercouches, Whirlpool, Spot-Lichter, und mehrere sehr befleckte Matratzen. Als wir uns von unseren lachkrämpfen erholt hatten probierten wir noch die Sauna aus, liessen es dann aber mangels Motivation bleiben. Hat jemand noch Bilder vom Raum? Das glaubt mir hier ja sonst sowieso keiner.
Irgendwann fand ich mich in meinem Zimmer wieder. Allein. Flisi war ja auf Tour. Ich entschied mich nicht abzuschliessen, weil man ja nie weiss, wie sich der Junge Zutritt verschaffen will, wenn ich nicht früh genug die Tür aufschliesse. Irgendwann bin ich dann wohl eingedöst.
Um ca. 07.00 wurde ich dann abrupt aus dem Schlaf gerissen. Von niemandem geringeren als Flisi. Der Arme hatte sich in Budapest wohl die Beine verknotet, anders kann ich mir seine unkoordinierten und lächerlichen Gehversuche nicht erklären. Nachdem ich kurz Atmung und Herzschlag kontrolliert hatte, nach dem er ins Bett zusammengebrochen war, entschied ich mich den Jungen erstmal ausschlafen zu lassen. Ich hatte ja schliesslich wichtigeres zu tun als mich um Freunde zu kümmern…
Zuletzt geändert von triple6 am Donnerstag 12. Juni 2008, 18:23, insgesamt 1-mal geändert.
"...aber Marge, Versuchen ist der erste Schritt zu Versagen!"
~~Homer Simpson, Springfield 1998~~
Wer hat euch erzählt dass Hungaro neu asfaltiert wäre. Stimmt gar nicht, einzige die gemacht haben voriges Jahr das war der minus 1 kurve, also kurve auf die Zielgerade hat neu asfalt bekommen, die bauarbeiten handeln sich nur um parkplatz und boxengasse. Der asfalt ist schon alt auf Hungaro, sehr alt.
Fehlt nur noch der Teil wo ich 10min vor dem öffnen der Boxengasse für das Langstreckenrennen Phipu`s Kombi in der Box fand.
Als ich Sandro fragte wo Phipu ist sagte er nur der kommt gleich wider.
Also machte ich mich mal auf die Suche, wo war er ?
Richtig , als ich ihm sagte er habe noch genau 9min um die Strecke zu entern, ging das Putzen und Spühlen aber mal richtig schnell
Auch schön war als Phipu meine MR-Evo ausleger (9mm) mit seinen (7mm) verglich und ganz erstaunt sagte, ich habs gerade ausgemessen damit kommen meine Fussrasten ca. 1,8mm weiter nach hinten
ja, nee ist klar
Halbschwede hat geschrieben: Der asfalt ist schon alt auf Hungaro, sehr alt.