Ich bin einer der ersten beim Motorrad. Der Griff zum Anlasser geht automatisch, der Motor heult, Flisi schiebt mich die ersten Meter auf den Asphalt, der erste Gang rastet, das Vorderrad strebt nach oben und wir schiessen auf die erste Rechts zu. Ich bin dritter. Das 200 Meter Schild fliegt zu meiner linken vorbei. Auf Platz 1 liegt schon Benni Geiser, der im Qualifying eine gnadenlose 8er Zeit in die Brünnschen Kurven brannte. Ich lasse auch das 100 Meter Schild hinter mir. Die beiden Bremsfinger langen zu, ich lenke ein und schaffe es beim Anbremsen Platz zwei hinter Geiser einzunehmen und drann zu bleiben. Das gelingt auf den ersten zwei Runden nicht schlecht, doch dann muss ich abreissen lassen. Ein Blick zurück zeigt mir, dass sich einige Verfolger direkt hinter mir festgesetzt haben. Vor der 180° rechts bergrunter bremst der Verfolger auf der SC59 spät - sehr spät. Ich muss aufmachen und später einlenken. Doch auch diese bessere Linie kann ich nicht nutzen um beim Herausbeschleunigen in der gleichen Kurve wieder vorbeizuziehen. Die SC59 macht die Lücke dicht. Im folgenden Geschlängel bergauf setze ich mich hinter der Honda fest. Langstreckenrennen. Der Platz muss nicht gleich wieder gutgemacht werden. Ich besinne mich darauf den Gegner zuerst zu studieren, als blindlings draufzuhalten. Ich lasse mich einige Runden ziehen um Kräfte zu sammeln. Ein paar Linienfehler der Honda machen deutlich, dass der Reiter wohl mit der Konzentration am Limit fährt und ich gehe an der Stelle, die ich mir in den letzten Runden ausgesucht habe wieder auf gleiche Höhe. Bremspunkt zur Doppelrechts vor der spitzen Links. Wir bremsen und ich biege als erster in die erste rechts. Ich liefere dem Reihenvierer zwischen den Scheiteln nochmal beherzt Zündstoff und lasse den Michelin hinten sanft nach aussen driften - das sollte als Zeichen für die SC59 genügen, dass ich es "ernst" meine. Die 98 unter mir forciert das Tempo noch die nächste Runde und switched danach vom "Sprint-Mode" in den "Endurance-Mode". Runde um Runde fliegt vorbei und die Zeiten pendeln sich ein. In der Hälfte des ersten Turns stehen die ersten Überrundungen an. Vor mir auf der Geraden sehe ich aus den ESD eines zu überrundenden Fahrers blaue Wölkchen aufsteigen. Kein gutes Zeichen. Just im Einlenkpunkt zur ersten Rechts nach Start/Ziel scheinen mehrere Teile seines Motors in die ewigen Jagdgründe zu gehen. Blauer Dunst, weisse Wolken.. Scheisse. Ich beschliesse gut 20 Meter dahinter die Finger kurz von der Bremse zu nehmen und mit möglichst wenig Schräglage durch die Gefahrenzone durchzurollen. Kurz darauf: Safety Car. Da mir die Knochen schon ganz schön schmerzen und auch der Rest meines Adoniskörpers schon etwas am ächzen war, kam die Safety Car Phase gerade recht. Immerhin gab das auch wieder die Möglichkeit zu Beni Geisser auf Platz 1 aufzuschliessen. Nach ein paar Runden war die Ölspur mit Ölbinder behandelt und das Safety-Car löschte seine Signallichter in der Bergauf-Passage. Benni zog das Tempo an. Zwischen uns lagen 4 überrundete Fahrer. Das Safety Car bog ab - grüne Flagge und ich schnappte mir die 4 beim Herausbeschleunigen und auf der anschliessenden Geraden, sodass ich lediglich 5-6 Motorradlängen hinter Beni in die erste Rechts einbiegen konnte. Ich merkte, dass Beni Tempo rausgenommen hatte. Entweder, war er nach der längeren Safety-Car Phase noch etwas im "Cruise-Mode" hängen geblieben oder aber er hatte seine Reifen und Bremsbeläge in der Phase zu sehr geschont, so dass ich auf der folgenden Runde Meter um Meter gutmachen konnte. Mad-D zeigte mir in der Folgerunde die Boxentafel mit "3Laps". Ich hatte also noch 3 Runden um Beni niederzustrecken und anschliessend Flisi die Bühne zu überlassen. Eine Runde weiter in der Bremszone nach Start-Ziel war es dann soweit. Ich konnte mich auf der Geraden an Benis K5 ansaugen und vor der Bremszone nach innen ausscheren. Wir bremsten beide spät - aber da ich innen war und die Linie somit besetzt, musste sich Beni hinter mir einreihen. Team Gashammer war also auf Platz 1. Der Wechsel stand an und Flisi brauste nach einem überaus schnellen Wechsel der von Mäddie perfekt getimed wurde aus der Boxengasse heraus. Ich fiel erst einmal in den nächsten Stuhl und schwemmte mich mit einem Liter Wasser wieder auf Originalgrösse auf...
Flisi fuhr konstante Top-Zeiten im Rahmen von 2:12. Mittlerweile hatte das Team MRD-Racing mit Beni Geisser und Peter Thür auch gewechselt. Peter aka Exorzist Thür war "on fire". Das Resultat der Stichflamme waren regelmässige 10er und 11er Zeiten, die wir nicht konstant mitgehen konnten. Der Abstand wurde merklich grösser. Flisi kämpfte und gab alles - eine 2:11.8 im Langstreckenrennen spricht für sich. Der nächste Wechsel stand an und als Flisi neben mir zum stehen kam während Mäddie den Transponder wechselte, das Visier öffnete und ich nichts anderes sehen konnte als das "Fliesische Grinsen" wusste ich, dass er durchaus auch noch länger hätte durchhalten können, wäre der Tank nicht Ebbe gewesen. Wir konnten auf meinem anschliessenden Turn zwar nicht mehr auf MRD Racing aufholen, dafür vergrösserten wir den Abstand auf Platz 3 und ich hatte rieseigen Spass mit dem exorzierten Motorrad. Die "Frischzellenkur" von Hechi hatte unseren Motorrädern spürbar gut getan.
Irgendwann, 50 Minuten vor Rennende aber war die Luft bei mir draussen. Ich konnte einfach nicht mehr und hatte wohl am Anfang des Turns wieder etwas zu stark forciert. Mein Rücken schien nur noch aus einem einzigen verkrampften Muskel zu bestehen und auch auf den Geraden war keine Chance zur Entspannung. Um grösseren Risiken vorzubeugen gab ich 10 Minuten vor geplanten Wechsel das Zeichen und wurde per Boxentafel 2 Runden später von Mad-D in die Box zurückgerufen wo Flisi und Godzilla sich für die finale Vollstreckung vorbereitet hatten.
Flisi war wie immer der sichere Wert. Konstante, schnelle Zeiten liessen genug Luft nach hinten um den 2ten Rang zu sichern. Ebenso konnte er die nachlassenden Reifen optimal einteilen und das Gas so dosieren, dass bis am Schluss genügend Grip vorhanden war. Und so, 50 Minuten später konnte Team Gashammer den ersten Lauf der diesjährigen European Endurance Cup Veranstaltung bei Valentinos in Brünn auf dem respektablen 2 Gesamtrang abschliessen.
Was dann kam topte aber nochmals alles...
ich sag nur Stichwort Siegerehrung und anschliessende Interviews...
Aber alles der Reihe nach...
Flisi und ich haben uns wie immer für die Siegerehrung mit unserem Sponsor (Feldschlösschen Bier) ausgerüstet damit auch jeder sieht, was Siegertypen denn so trinken. (Also liebe Leute bei Feldschlösschen, das macht jetzt bitte noch nen Hunni mehr!)
Sogar das tschechische Regionalfernsehen war vor Ort für Siegerinterviews. Unvergessliche Momente für mich - nicht das Fernsehen, oder das Interview, aber Flisis "fliessendes Englisch" auf die Frage: "Matthias, what are your emotions for the second place?"
Flisi grinst: "Ah juu nou, it wos biiutifuul! Wii häf biir and tä san is scheining!"
Interviewerin: "What is it all about?"
Flisi: "Ei leik it! Wi duu it for dä biiir, dä san änd dä pokals" (Dabei hält er abwechselnd die Büchse Bier und den Pokal in die Kamera - grinst dann über beide Ohren in die Kamera sagt nochmal: "Wii du it for dä biir änd dä san änd dä pokals" und hält dann wieder zuerst die Bierdose und dann den Pokal vor die Linse.... Einfach, einfach WELTKLASSE!)
Esstisch Box 27, Brünn, 21.23 Uhr
Etwa 1 1/2 Kilo Schrimps später - Mad D kann nicht nur besser schrauben als Ralf Zacherl, sondern auch besser kochen-, und ein paar Biere später mussten uns Flisi und ich eingestehen, dass uns das erste Langstreckenrennen der Saison doch ganz schön in die Knochen gegangen ist. So verabschiedeten wir uns von unserer Crew und zogen es vor früh schlafen zu gehen - am nächsten Tag standen ja die beiden Superbike Läufe des European Riders Cup an ...
to be continued...
"...aber Marge, Versuchen ist der erste Schritt zu Versagen!"
~~Homer Simpson, Springfield 1998~~