Die Sonne schickte die ersten Wellen in unsere Schlafkojen im Bus und stämmten meine müden Lieder ein paar Milimeter auf. Als die Männchen in der Schaltzentrale registrierten, dass der angehörige Körper immer noch im Paddock von Brünn rumliegt wurden alle Schaltkreise sofort auf 98% Leistung aufgefahren. Der European Endurance Cup Lauf und der zweite Platz waren unter Dach und Fach. Heute an diesem Wunderschönen Ostersonntag würden noch die beiden Superbikeläufe des European Riders Cup, der Supersport Lauf und die Rennen der Besten der Resten auf dem Plan stehen. Nach einem Frühstück im Stehen, einer Scheibe Brot und einem Glas Wasser, zwischen Werkzeug Motorrädern und leder-duftenden Kombis war mir wieder schlagartig klar - nein, es gibt kein schöneres Erwachen an einem Sonntag morgen.
Flisi und ich beschlossen den Morgen gemütlich anzugehen. Die 3 Stunden des Vortags foderten ihren Tribut.
Ich beschloss direkt am ersten Lauf zu starten. Ich würde meine Kräfte aufsparen für das Rennen. Ausserdem wollte ich auf keinen Fall, dass sich die Konkurrenz meine streng geheime super-fast Linie abschauen , meine Top-Secret Bremspunkte aneignen könnte. Vielleicht wars aber auch einfach, weil mir die Knochen noch zu sehr schmerzten Faulheitshalber lasse ich auch gleich den Michelin hinten drauf, der schon das ganze Langstreckenrennen vom Vortag auf den Flanken hat - also nix erzwingen...
Wie dem auch sei - irgendwie packte ich meine Extremitäten ins Kombi und stand pünktlich zum 3. Ausruf in der Boxengasse bereit. Meine nicht gerade berauschende Qualizeit bescherte mir den 11. Startplatz. Flisi stand einige Positionen weiter vorne auf der 5. Nach zwei Aufwärmrunden standen wir in der Startaufstellung. Ganz lustig war wieder das Fernsehteam, dass mit der Kamera von Fahrer zu Fahrer ging und jeden kurz ins Visier nahm. Das war so quasi MotoGPSuperBike-Stile. Ich überlegte mir gerade noch was wohl Flisi wieder für Faxen gemacht hatte, oder ob er nochmal was von Bieren und Pokalen in die Kamera gefluxt hatte, da leuchteten schon alle Ampeln in höllischem Rot. Zeit um Masse auf den Lenker zu drücken.
47 Motoren heulen auf...
6 Ampeln erlöschen...
Die Meute hetzt auf die erste lange rechts zu. Mein Vorderrad reckt sich gen Himmel und ich bin endlich mal auf dem Motorrad auf jedes meiner 95 Kilos stolz. Das Feld sortiert sich gut durch die erste rechts und den anschliessenden Linksknick. Jeder fightet zwar, aber lässt den anderen zwei auf gleicher Höhe genug Platz zum Leben. So machts Spass. In der ersten Links/Rechts Kombi noch einen Platz gut gemacht. Erwische ich die Rechts zu früh und kann deshalb nicht mit Vollschub rausbeschleunigen, weil die Curbs schon zu nahe kommen. Auf der nächsten Zwischengeraden passiert mich somit auch der zuvor überholte wieder locker beim Beschleunigen. Der Fehler sollte mich noch einige Gesam-Sekunden kosten. Die nächsten zwei Kurven starte ich entsprechende Angriffe auf der Bremse, zieh aber zweimal auch wieder zurück da ich ungern die hässliche Farbe der Lackierung meines Kontrahenten auf meinem schönen schwarzen Boliden verewigen möchte. Die Spitzengruppe vor uns zieht von dannen. Als ich in der Bergab rechts wieder einen Tick später auf der Bremse bin, gehe ich auf gleiche Höhe - bin aber innen. Die Anti-Hoppla verrichitet treu ihren Dienst und lässt die Hinterhand behutsam bis zum Einlenkpunkt etwa schlingern. Abwinkeln und vorne sein...
Die Gruppe vor uns hat schon einen guten Vorsprung und ich konzentriere mich erst mal darauf den richtigen Rythmus zu finden. Nach 6 Runden sehe ich Flisi vor mir der anscheinend ein paar Plätze verloren hat. Ich fahre zwar immer noch das gleiche Tempo, aber hole trotzdem relativ zügig auf ihn auf. Als er vor mir immer wieder nach unten guckt errinnere ich mich kurz an seinen neuen Limadeckel - verdränge aber den Gedanken gleich wieder. Irgendwie sieht er so aus, wie ein Elefant, der auf einem Briefmarkengrossen Podest balanciert. Als mich Flisi später in der Box über die verloren gegangene Fussraste aufklärt, erklärt sich auch der Elefant auf dem Briefmarkenpodest. Flisi musste also leider das Rennen in der 8ten Runde frühzeitig mit technischem Defekt beenden. - Brannte dafür schon in der dritten Runde eine 2:12:252! Dass er im Langstreckenrennen eine 11:8 gefahren ist, zeigt mal wieder die Langstreckenqualitäten des Feldschlösschen-Bombers!
So geht das erste Rennen auch relativ ereignislos zu Ende und ich rolle mit dem 9 Rang in die Box.
Die Startaufstellung wiederholt sich zwei Stunden später zum zweiten Lauf. Was dann jedoch folgt ist ganz anders als im ersten Lauf. In der Pause wurde nämlich der schon arg verschlissene Hinterreifen gegen einen neuen Dunlop getauscht. Da ich weder Erfahrungen mit dem Reifen hatte noch in irgendeiner Form das Fahrwerk umgestellt hatte, sollte das Rennen nichts anderes als ein Testlauf unter Realbedingungen werden. Ich war auf alles gefasst - auch darauf, dass eventuell gar nichts funktionieren würde und ich nach zwei Runden wieder in der Boxengasse landen würde. Aber nichts davon geschah...
Der Start klappt noch besser als beim ersten Rennen und ich kann auf Platz 8 vorbremsen in der ersten rechts. Anschliessend folgt eines der schönsten Rennerlebnisse bisher. 6 Runden lang fahren wir in der Spitzengruppe mit den ersten 8 Fahrern "in Formation". Jede Runde Positionswechsel, jede Runde +/- 2-3 Plätze. Einfach Klasse! Nach 6 Runden habe ich mir den 7 Platz gesichert und bin am Ende der Spitzengruppe die jedoch nochmals das Tempo auf den letzten Runden anzieht. El Torro, die 98 unter mir, hechelt, heult und möchte zu gern noch etwas länger mit den Artgenossen spielen, doch der Reiter hechelt und heult auch bereits - allerdings nicht weils ihm nur Spass macht, sondern weil er wohl doch zu lange nicht mehr auf dem Motorrad gesessen hat und das Langstreckenrennen vom Vortag noch ein wenig Sand in die Gelenke gestreut hat. Ich lasse sie ziehn. El Torro schüttelt sich beim beschleunigen, als wolle er sagen: "Du Memme! Verdammte Kacke, dabei wars so schön!" Ich lasse ihn reden... soll er doch... ich mach was ich will, schliesslich zahl ich sein Futter...
Zielflagge - 7ter Platz. Aber noch viel schöner als das ist die 2:11:442 in der fünften Runde, die mich vom Laptimer anlächelt. Ich bin versöhnt - versöhnt mit den FI-Dämonen, mit Tschechien und mit den ersten zwei schwierigen Tagen. Das einzige was noch mehr schmerzt als der Körper, sind die nächsten 4 Wochen ohne aufzynden, bis zum nächsten EEC Lauf in Magny Cours...
"...aber Marge, Versuchen ist der erste Schritt zu Versagen!"
~~Homer Simpson, Springfield 1998~~