Einige Wochen später versuchte ich weiterhin das Geschehene zu verarbeiten. Das unwohle Gefühl war der Angst vor einem weiteren Unfall gewichen. Der Sturz mit der alten italienischen Dame hatte mich, bei Lichte betrachtet, doch ganz ordentlich aus der Bahn geworfen. In meinem Kopf immer wieder gemischte Gefühle. Ist dieses Hobby wirklich das richtige für mich? Welche Fehler hatte ich gemacht, wie würde ich diese in Zukunft verhindern können? Kann man so was überhaupt voraus sehen und dadurch verhindern? Ein Fluch, oder doch nur Pech?
Klar war nur, das Vertrauen in mein Moped war weg. Ein Plan musste her. Bevor ich mich würde komplett verrückt machen lassen, Ursachenforschung! Das zerlegen der Bremsanlage trug kein Ergebnis zu Tage. Also, was tun? Die alte Dame war zwar verstorben, aber immerhin war sie Organspender. Die verkauften Teile machten andere Ducatireiter glücklich und meine Geldbörse schwerer. Das Blatt schien sich zu wenden. Die verkauften Teile brachten genug ein, um ein neues Schlachtross erwerben zu können… naja, wenigstens, wenn es nur 4000€ kosten sollte

Ich: Was hältst du von einer Superduke, süße?
Sie: Hässlich!
Ich: Mit der Zeit wird die immer schöner, glaub mir!
Sie Hässlich!
Ich: Was hältst du von dieser hier? Orange, R-Heck, sieht doch ganz gut aus, oder?
Sie: Hääääässsssllliiccchhhh! …. Außerdem ist Orange keine Farbe für ein Motorrad. Wie sieht das denn aus?
Ich: Ach was, eine KTM muss Orange sein!
Sie: Mir egal, du musst damit herum fahren. Wieviel soll sie denn kosten?
Mit all meinem Überredungstalent schaffte ich es irgendwie ein, "JA OK" zu bekommen. Ich muss mich in einen Rausch geredet haben, auf jeden Fall kann ich mich an nichts mehr erinnern. Ein paar Wochen später stand das gute Stück in meiner Garage. Da ich mir immer noch nicht sicher war, ob mein Nervenkostüm ein weiteres Training verkraften würde, entschloss ich mich erst einmal auf der Landstraße Kilometer zu fressen…
Tunnelbau für Anfänger
Das Landstraßen fahren half. Mittlerweile war die Erinnerung an das Geschehene weiter verblasst. Dennoch blieb es bei meinem Entschluss, dieses Jahr nicht mehr auf die Rennstrecke zu gehen. Zu groß war die Angst, dass ich mir vor jedem Bremspunkt würde in die Hosen machen müssen. Leider hatte ich diese Rechnung ohne Joscha gemacht, der mit allen Waffen der psychologischen Kriegsführung vertraut war. Nachdem er ein paar Nadelstiche gesetzt hatte, meldete er sich zu einem Abendtraining von Doc-Scholl an. Aber ich blieb hart (naja, eigentlich eher weich… die Angst).
Der Event kam näher und näher. Langsam fing es auch bei mir wieder an zu kribbeln. Ach scheiss drauf, aller guten Dinge sind drei, oder? Urlaub einreichen und anmelden! Dieses Mal sollte alles glatt über die Bühne gehen. Reifen wurden dieses Mal nicht auf den letzten Drücker gewechselt und Montageständer, sowie Reifenwärmer wechselten den Besitzer. Das Training konnte kommen!
Am Nachmittag des Vortages, Meeting mit dem Busfahrer. Also ab nach Bochum, Mopeds rüsten und anschließend am Grill Kräfte für die Heldentaten, des darauf folgenden Tages sammeln. Um „optimal“ fahren zu können, trunken wir zwei Bierchen… aber auch nur, weil der werte Herr Busfahrer nicht mehr im Haus hatte. Während des Grillens, Benzingeflüster. Ich konnte meine Nervosität kaum verbergen. Nachdem ich einige Male erwähnt hatte, dass mir jetzt so langsam der Stift ging, kamen meine Frau und Julia, die „nicht Freundin“ des Busfahrers, einstimmig zu dem Schluss, dass ich endlich den Stock aus dem Arsch ziehen soll. Gesagt, getan, nur weil einmal die Bremse nicht gegangen war, hatte ich ja noch nicht das Moped fahren verlernt. Nach dem Grillen ging es noch kurz vor den Fernseher, nur um festzustellen, dass eh keiner mehr die Augen aufhalten konnte. Also noch schnell Luftmatratze aufpumpen. Wieder 1,40m x 2,00m, aber nur für zwei Personen, dieses Mal würde mir auch nicht das Gesäß weh tun können, am nächsten morgen. Dann noch professionell ein Loch mit Hilfe von Uhu und Panzerband flicken, um nun endlich ein zu schlummern. Am Nächsten morgen, unwohles Gefühl? Keine Spur! Kleines Frühstück, dann Anhänger abholen. Danach Bus und Hänger beladen. Wie man eine Superduke sicher befestigt, wussten wir ja jetzt ganz genau! Dann konnte es ja los gehen. Abfahrt!
Julias Anwesenheit war ein Segen. Im Laufe der Zeit, hatte sie eine Technik entwickelt, die es ihr ermöglichte, während des Redens zu atmen. So musste sie keine Pausen machen und schaffte es, mich während der gesamten Fahrzeit von allem abzulenken, was Moped fahren und stürzen angeht! Ein Traum diese Frau!
Am NBR angekommen, wartete schon wieder der nette bärtige Mann mit Akzent. Er erklärte uns, dass wir mit unserem Gespann direkt in die Boxengasse fahren sollen, da die DTM noch alles andere blockiere. Kein Ding, läuft! In der Boxengasse angekommen, abladen und auspacken. Mopeds in die Box, Reifenwärmer drauf, fertig! Genial, noch eine Stunde Zeit. Nachdem wir noch etwas gegessen und getrunken hatten (aber kein Bier

Traktoren und ihre Leistung
Ich hielt mein Versprechen nicht und rollte im nächsten Turn erneut raus. Nach einigen Runden begann es besser zu laufen. Ich bekam endlich ein Gefühl für mein neues Moped und die Runden wurden schneller. Im dritten Turn schaffte ich es, die Boxendurchfahrt in meinen Rhythmus einzubauen. Und ein echtes Spassgefühl stellte sich ein. Mittlerweile schaffte ich es sogar, die ersten Mitstreiter zu überholen und war somit nicht mehr der Langsamste auf der Piste. Puh, noch mal Glück gehabt, ich würde den NBR erhobenen Hauptes verlassen können. Unterdessen hatten sich erneut zwei gesucht und gefunden. Superdukefahrer unter sich, da ein Kürbis ungerne allein bleibt, gesellten sich Werner und seine Duke zu uns. Werner fuhr identische Rundenzeiten wie Joscha, so lag es auf der Hand eine Neuauflage des Rennens vom letzten Event zu fahren. Die beiden lieferten sich ein hartes, aber faires Duell. Spass hat es auf jedenfall gemacht, es war nicht schwer ihren Gesichtern diese Information zu entnehmen. Egal, dafür waren wir ja schliesslich hier, um Spass zu haben.
Im vierten Turn fuhr der Busfahrer sein eigenes Rennen. Mittlerweile konnte Werner nicht mehr an ihm dran bleiben. Alles halb so wild, Joscha hatte ein neues Opfer gefunden. Während er fleißig durchs Feld pflügte, lief er langsam auf einen netten Herren auf, welcher seinerseits eine GSXR 1000 befeuerte. Zum Blumenpflücken war keiner der beiden Kontrahenten angereist. Was folgte, war eine Hetzjagd, die über einige Runden gehen sollte. Joscha versuchte einige Male sein Vorderrad zu zeigen, um seinen „Gegner“ unter Druck zu setzen. Dieser lies sich jedoch nicht beirren und lies Joscha jedesmal beim Angasen alt aussehen! Tja, was tun, Leistung hatte er ausreichend, was könnte fehlen, evtl die Eier? Er musste ihn auf der Bremse kassieren, keine Frage. Also Gegner zurecht legen, jetzt gilt es nah genug dran zu bleiben. Geschafft, er bremst… ahhh hier ist auch mein Bremspunkt, egal drei zwei eins… jetzt bremsen. Oh ha, das wird eng, weit gehen… aber trotzdem vorne bleiben. Es klappte, er blieb vorne und konnte seinen Mitstreiter auch die nächsten Runden hinter sich halten. Auch bei mir ging alles glatt, ich wurde zwar immernoch mehr überholt, als das ich überholen konnte, aber alles blieb heile und ich schaffte es, sitzen zu bleiben. Also war es trotz der wiedrigen Umstände, doch noch ein recht gelungener Event.
Als die Zielflagge geschwungen wurde, war schon wieder alles vorbei. So ein Abendtraining ist schneller vorbei, als man denkt. Eigentlich schade, wenn man gerade warm geworden war, muss man auch schon die Heimreise antreten. Also nur noch einladen, Mopeds auf den Anhänger und schon konnte es los gehen. Zu mindest fast, der GSXR Treiber hatte den Glatzköpfigen Busfahrer am Horizont erspät und wollte noch schnell etwas los werden. Anscheinend hatte nicht nur Joscha Spass an dem kleinen Duell des vergangenen Turn gehabt.
„Hi, ich war der Typ mit der GSXR, bist klasse gefahren, Respekt!“ „Danke, aber du warst auch nicht langsam.“ „sag mal, wieviel PS hat so ein Traktor eigentlich?“ „etwa 120 PS“ „Echt? Sieht nach mehr aus.“ Hehe, dass dachte ich auch immer, wenn mir so ein Traktor davon gefahren war. Jetzt fahre ich selber einen und denke immer, fühlt sich nach weniger an, als 120 PS

Rückblickend betrachtet, war es schon schade, das man nicht die ganze Strecke fahren konnte, aber trotzdem war es ganz ok. Einige Wochen später erhielt ich noch eine E-Mail des Doc-Scholl Teams. Alle Teilnehmer wurden für die Umstände entschädigt. Also ein versöhnliches Ende und mein neues Moped schien mir auf jedenfall mehr Glück zu bringen. Auf Grund der Entschädigung, werden wir nächstens Jahr wieder einen, oder mehrere Doc-Scholl Trainings bestreiten, für alle, die nicht gerne Werkzeug verleihen und nicht gerne mit einem Bier entschädigt werden, gebe ich frühzeitig durch, wann wir wo sein werden…
Gruss David