Vielen Dank für die genialen Zeilen und dafür das mich meine Kollegen jetzt für total bekloppt halten, weil ich meinen Bildschirm mit Kaffee voll gesabbert habe
Wie wäre das Rennen ausgegangen, wenn ich nicht in meinem dritten Turn eine Tiefbohrung in der Triple vorgenommen hätte?
Wie wäre es ausgegangen, wenn der nette kleine Aprilia-Fahrer um 6.34 Uhr abgebremst hätte, statt Axel in die Seite zu fahren?
Was wäre passiert, wenn ich im ersten freien Training nur EINEN Wheelie weniger gemacht hätte, oder beim Mittagessen am Samstag noch eine Nussecke gegessen hätte?
Das sind ca. 0,0045% der Fragen, die ich mir im Nachhinein stelle.
Ich muss vorausschicken, dass ich mir schon seit frühesten Kindheitstagen immer solche komischen Fragen stelle. Zum Beispiel amüsiere ich mich schon sehr lange über den Menschen selber - eine Kreatur mit völlig albern geformten Auswüchsen wie Ohren, Nase, Finger, Zehen oder sekundären Geschlechtsmerkmalen, die an Albernheit kaum noch zu überbieten sind.
Was würde eine außerirdische Lebensform denken wenn sie die Menschen sehen würde?
`HA, was für Schwuchteln!`
Oder die „Welt“ an sich? Die überaus seltsame Natur, garniert mit den NOCH seltsameren Kreationen des Menschen - Autos, Häuser, Motorräder, Schuhe, mit Draht umwickelte Griffgummis, Stringtangas, Mobiltelefone, Kondome, selbstgestrickte Reifenwärmer. Alles sehr sehr komisch....
Zurück zu den drei Ausgangsfragen: Ich bin mir sicher, und eigentlich müsste das auch unstrittig sein, dass Axel z.B. ohne meinen Sturz heute keinen Gips am Fuss hätte, und dass ich erst gar nicht gestürzt wäre, wenn ich mir mittags noch eine leckere Nussecke gegönnt hätte.
Diese Tatsachen sind es, die mich ziemlich nachdenklich machen, und die mich auch schon oft über den Sinn des Lebens und den Begriff Schicksal nachdenken ließen.
Muss es denn nicht so sein, dass sämtliche Schritte eines Menschen von vorne herein genau vorbestimmt sind? Ich meine alle Schritte - jeder Atemzug und jeder Schluck Wasser (oder Korea) den er trinkt? Ansonsten wäre nämlich die ganze Welt wirklich ein einziger, wilder Chaoshaufen!
Beispiel: Ich verzichte am Samstag aus Gewichtsgründen auf eine Nussecke. Deswegen (und aus 1000 anderen Gründen!) stürze ich im Rennen in der Triple. Axel bricht sich, auch in Folge meiner nicht gegessenen Nussecke, das Sprunggelenk, und kann seinen Mallorca-Urlaub nicht antreten. Deswegen wiederum muss eine Sekretärin am Flughafen in Palma de Mallorca die Namen von Axel und Sabrina aus ihrer Boarding-Liste streichen, wodurch sie 2 Minuten später nach Hause kommt, und deshalb von einem gerade zufällig vorbeistreunenden Bullterrier angefallen und schwer verletzt wird.
Im Krankenhaus lernt sie dann ihren zukünftigen Mann kennen, mit dem sie 3 Kinder bekommt.
Diese fiktive Story könnte natürlich noch viel krasser fortgesetzt werden, und sie ließe sich endlos weiterspannen.
Letztendlich ist also eine nicht gegessene Nussecke verantwortlich für 3 hübsche, kleine, spanische Kinder....
Kann das sein? Ich weiß es nicht, weil niemand wirklich wissen kann, ob es so etwas wie Schicksal wirklich gibt, aber wenn es wirklich so ist (mit der Nussecke), dann kann wirklich JEDER seinen Teil dazu beitragen, dass diese Welt ein Stück besser wird!
Natürlich kann man nicht von vornherein wissen, dass aus einer guten Tat auch wirklich wieder gute Dinge erwachsen, aber es ist zumindest wahrscheinlicher als dass aus einer bösen Aktion etwas Gutes entsteht.
Hier möchte ich nochmal meinen Bruder im Geiste, Dean Koontz, zitieren (siehe auch S. 1):
"Der kleinste Akt der Menschenliebe schwingt über große Entfernungen und Zeitspannen hinweg und wirkt sich auf das Leben von Menschen aus, die dem großherzigen Auslöser dieses positiven Echos nicht einmal bekannt sind, denn Güte setzt sich fort und wächst, indem sie dies tut, bis Jahre später und an einem ganz anderen Ort aus einer einfachen Geste der Rücksichtnahme eine selbstlose und heroische Tat wird. Genauso verhält es sich mit jeder kleinen Niedertracht, jedem Ausdruck des Hasses, jeder aus Bosheit begangenen Tat."
Vielleicht ist es aber auch so, dass die „kleineren“ Dinge variabel sind, und nur die „Großen“, wie z.B. der Tod, vom Schicksal bestimmt.
Für mich persönlich wäre dies tröstlich, weil ich 1996 durch eine gut gemeinte Aktion meinen besten Kumpel Bluffer verloren habe.
Ich fuhr am Abend des 13. Juni mit meiner 94er-Blade bei ihm vor, und teilte ihm mit, dass ich jetzt zum Kawa-Händler unseres Vertrauens fahren würde, um die neue ZX7-R einer ausgiebigen Probefahrt auf unserer Hausstrecke, dem Lochenpass, zu unterziehen.
Ich sagte, er solle doch später mit seiner 6er-CBR vorbeikommen, dann dürfe er das Teil auch mal ausprobieren.
Er schaute zum Fenster raus und meinte, er müsste eigentlich noch den Golf seiner Mutter reparieren, aber er würde schauen ob sich was machen ließe.
Als ich mit der ZX7 den Lochen hochfuhr, sah ich in der ersten, langgezogenen Rechtskurve Autos auf der Straße stehen. Ich hielt an und sah, dass Bluffer`s CBR völlig zerstört links im Graben lag. Er selbst lag 20 m weiter in einer Wiese. Ich weiß noch dass seine Kombi einen kleinen Riss hatte - sonst sah alles gut aus. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Ich fiel in ein tiefes, dunkelschwarzes Loch mit glatten Wänden.
Natürlich sagten alle, ich wäre nie und nimmer schuld an dem Unfall, und dessen war und bin ich mir auch vollauf bewusst. Dennoch wäre er mit absoluter Sicherheit heute noch am Leben, wenn ich nicht bei ihm vorbeigefahren wäre...
Heute denke ich, dass es ihm vorbestimmt war, bei dem zu sterben, was ihm am meisten bedeutete - dem Motorradfahren.
Dass ich mich heute nicht mehr schuldig fühle, rührt vor allem daher, dass ich einige Erlebnisse hatte, die in mir die Überzeugung wachsen ließen, dass nur sein Körper gestorben war, seine Seele aber für alle Zeit weiterleben und weiter mit uns blankziehen wird.
Diese Erlebnisse will ich hier nicht wiedergeben, da ihr mich ansonsten wohl mit ziemlicher Sicherheit für geistig verwirrt halten würdet (jaja, ich weiß, dass das eh schon die meisten tun....).
Nun, was ist die Quintessenz aus all dem Geschwalle???
Ich wollte euch damit nicht belasten oder mir Schuldgefühle von der Seele reden, aber vielleicht habe ich es ja geschafft, dass sich der eine oder andere auch mal seine Gedanken macht und dann vielleicht feststellt, dass solche Dinge wie Karriere, tolle Autos, oder Silikonimplantate, völlig albern und unwichtig sind.
Wir sollten uns auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren: auf Freundschaft, gegenseitigen Respekt, Hilfsbereitschaft, Liebe und vor allem um DAS Wichtigste - das was wir tun müssen, um unsere vorausgegangenen Freunde zu ehren und mit Stolz zu erfüllen:
AUFZÜNDEN!!!!!!!!!
Danksagung:
Ein 34-faches Grazie al forno (ital.: ein überbackenes Dankeschön) geht natürlich wieder an das brutalstgeile Team Schittko - herrliche Menschen, die ein herrliches Motorrad gebaut haben, und mit denen ich wieder die herrlichste Woche des Jahres verbringen durfte!
Weitere Grazien an (und hier kommen wieder die Schmetterlinge ins Spiel...):
- die ganzen Hackies aus dem Forum, die zur Unterstützung und Korealisierung angereist sind
- Micha Dangrieß aka Dangerous Egon für die rettende Helmspende, leckere Getränke und mehr
- Bernd Dietrich, den besten und coolsten Renndienstmann von Welt
- alle Wahnsinnigen vom MSF Sauerland - ihr seid ja wohl wirklich die Allerbesten!!!
Schließen möchte ich mit einem Ausschnitt aus einem Bon Jovi-Song, der in Bluffer`s 1er-Golf immer lief, wenn wir, bewaffnet mit Jim Beam-Cola, auf die vierspurige B27 beschleunigten und gen Rockfabrik Ludwigsburg flogen:
These days
~~~Jimmy Shoes busted both his legs, tryin’ to learn to fly,
from a second story window he just jumped, closed his eyes.
His mamma said he was crazy, he said:
‚Mamma I’ve gotta try! Don’t you know that all my heroes died?
And I guess I’d rather die than fade away...’~~~
In memory of all brothers in soul. See you at the crossroads!
Diese Erlebnisse will ich hier nicht wiedergeben, da ihr mich ansonsten wohl mit ziemlicher Sicherheit für geistig verwirrt halten würdet (jaja, ich weiß, dass das eh schon die meisten tun....).
Keine Angst . Es ist so wie Du schreibst. Menschen die man im Herzen weiter trägt Sterben nie und werden immer für einen da sein.
Finde deine Einstellung TOP
P.S. Ja die Nussecke hättest Mittag noch zu Dir nehmen solln
alex R1 hat geschrieben:Respekt sagenhafter Bericht, als ob man hintendrauf mitgefahren wäre
Ich will ja einiges und kann mir viel vorstellen, aber sicher nict, bei dem Verrückten hinten drauf zu sitzen!!!!! Mir reicht schon, wenn er mich überholt!
Habe letztens ne PPS geshen, in der das Leben mit einer Zugfahrt verglichen wird, an den Station steigen Menschen aus und andere wieder zu.
Aber am Ende der Reise treffen wir uns alle am großen Zentral Banhof, alle die ausgestiegen sind warten dort auf uns.
"Mit dem Messer zur Schiesserei" war schon genial , aber das hier topt die Story um Längen