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Slovakiaring 15.5.2011 / erstes Regenrennen

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Slovakiaring 15.5.2011 / erstes Regenrennen

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Beitrag von Hannes_T »

Dem alten Grundsatz vertrauend, dass es nur dann ganz sicher nicht regnet, wenn man Regenreifen dabei hat, hatte ich nun seit Anfang 2010 einen Satz Regenpneus im Handgepäck. Im freien Fahren bei auftrocknender Strecke einmal ausprobiert und unglaublich, aber wahr: bei allen 6 Rennterminen der Ducati Challenge 2010 war´s trocken. Dieser Lauf schien heuer ein Ende zu finden und ich sag Euch, mir hat´s gefallen:

Der Wetterbericht verhieß nix Gutes, als wir uns letzten Donnerstag aufmachten gen Osten zum heurigen 2. Termin der österr. Ducati Desmo Challenge. Einprogrammiert im Navi „Dunajska Streda“, eine Ortschaft unweit von einer der schärfsten Rennstrecken, die ich in meinem jungen Leben von 41 Jahren (davon 39 Jahre supersportlerlos) je befahren hatte. Und so war’s dann auch, Freitag noch trocken, Samstag Nachmittag ging es allmählich los mit dem Regen. Die dem Ducatista ohne Geldvermehrungsmaschine typische Materialschonungsstrategie (Zitat Martin N., bei dessen aufgebrezelter, pankl-bepleuelter 999 der Schaltblitz ohnehin erst bei knapp 12.000 rpm nervös wird: „Pro hundert Umdrehungen, die du nicht rauf drehst, bedankt sich deine Geldbörse“) hielt uns davon ab, am nachmittäglichen Langstreckenrennen teilzunehmen.

Am Sonntag früh unverändertes Regenwetter, es stand noch freies Fahren bis 11:00 Uhr am Programm. Nach einem probiotisch angereichertem Frühstück dann die Felgen mir den Regenreifen drauf, das alte Leder ausgepackt (das neue war mir zu schade zum möglichen Zerschraddeltwerden), Regenoberteil drüber und raus in den Mairegen, während noch fast alle mehr oder weniger mieselsüchtig in den Boxen saßen. Auf fast leerem Track drehte ich 5 Runden um dann mein Baby dampfend in die Box zurück zu stellen (und um dort intelligenterweise den zuvor vergessenen Stoppel in der Ölwanne rauszuziehen). Alles funktioniert, sogar die mysteriösen, tags zuvor im Trockenen ausgeteilten Stromschläge ab 9.500 rpm in die Gashand blieben aus. Auch mein Freund Hannes#191– der eigentlich vor hatte, das Challenge-Rennen aufgrund des Regens auszulassen – wollte kein Mädchen sein und montierte eilig die Regenpellen auf seine 1098R. Um 11:35 war’s dann soweit: „Boxengasse für 2 min. geöffnet für die Fahrer der Duggati Challenge“ sprach Streckensprecher Gertschi ins Mikro und ein Teil der üblichen Buckligen (im Don Quichote Style im “Notfall-Leder” und mit getapter Windjacke bis hin zum einen oder anderen High-Tech Warrior im farblich abgestimmten Ganzkörperkondom) rollten im Regen durch die In-Lap. Der Vorstart gestaltete sich ähnlich unspektakulär und irgendwie hatte ich in der Aufwärmrunde schon so meine Bedenken, diesmal vom Trödel-Modus in den Race-Pace switchen zu können. Wir fädelten uns wieder auf unsere Startplätze, auch ich fand mit aufgeklapptem Visier meinen 20er.

Nochmal kurz den Gang raus um pianistengleich ein paar Fingerübungen zu machen – MOPP. Motor aus, Gang war noch drinnen, obwohl das N – Lämpchen leuchtete. Stress. Hand heben, Startknopf drücken, Hurra! Da isssie wieder! .... Rote Fahne ist weg, wir bringen unsere Divas auf Touren, rotes Ampel aus und BÄÄÄÄNG los geht’s auf der 1,2 km langen Zielgeraden in Richtung Einser. Auf halben Weg realisierst du dann, dass du im Bulk genau nichts siehst, völlig im Blindflug unterwegs bist. Besser eher bremsen, dachte ich mir .... WRRRROOOOOM, der gute Karl O. nützt die Gunst des Moments und stellt sich beim Einlenken in die Einser innen rein. Man denkt sich noch, jetzt wär’s vielleicht ganz gut, wenn alle vor und neben dir sitzen bleiben und schon geht’s über den ersten Hügel in die Parabolica. Langsam beginnt sich das Feld bereits zu strecken und man schert aus um die Sicht ein wenig zu verbessern. Zokimoto#384 zieht zu verhalten am Kabel seiner 999S und wird kassiert, ebenso sein Chef Wolfgang#11 von Ducati Wien, der aufgrund eines Pleuellagerschadens an seiner beinahe noch jungfräulichen 848 auf einem Ersatzmotorrad sitzt. Sicht wird nicht besser, vor mir der bekennende Spätbremser Karl, der allerdings eklatante Schwächen in Hinblick auf seinen Kurvenspeed im Regen erkennen lässt. In Runde zwei oder drei dann nehme ich mir ein Herz und in Hoffnung danach irgendwas zu sehen, gehe ich in der Dreier außen vorbei. Strecke frei, endlich erkennt man, wo es nur nass ist, wo sich kleinere Seen gebildet haben und wo die Bäche über die Strecke fließen. Innen bleibt mein Visier beschlagsfrei, außen ständig fieser Sprühnebel, der sich offenbar an der Kante des Windschilds bildete. Kopf runter und weiter. Auf der Gegengeraden vor dem Anbremsen der Kehre Kopf aus der Verkleidung – WUSCH, Sicht weg. Das Auftauchen der äußeren Curbs erinnern mich daran, dass ich da im Normalfall schon am Bremshebel ziehe (die Carbonbeläge brauchen im Regen ja auch etwas länger, bis sie auf Temperatur sind und zupacken), also rein in die Eisen und umlegen. Weite Linie, vor dem Knick auf die Start-Zielgerade noch die Fünfte eingeklopft und flachgemacht. Kurzer Blick auf die Anzeige, wie viele Runden noch? Das Gefühl schon ewig zu fahren täuscht, immer noch 6 lange Runden von je fast 6 km. Am Ausgang der Parabolica dann der Gedankenblitz: Wir haben ja einen Scheibenwischer am linken Zeigefinger der Held Titan Handschuhe und zwar in Form einer popeligen Gummileiste - den probieren wir jetzt aus. Bei knapp 200 Sachen die Hand hoch und PRACK - Winddruck nicht einkalkuliert, die flache Hand wie einen fiesen Kraken am Visier. Arm wieder runter und ankern, damit der Sprunghügel nicht zur Sprungschanze wird. Am Ausgang der Siebener dann im Augenwinkel noch den händeringenden Schneebsi#40 erblickt, bei dem sich in Führung liegend sein Vorderrad verabschiedete, dessen 1098 im Grün landete und hinterher aussah, wie das “Ding aus dem Sumpf”. Zwischenzeitlich wurde der Regen weniger und der Wind frischte auf. Am vierten Hügel eine Böe, die nicht nur einem Albatros zum Abheben gereicht hätte, leichtes Lenkerschlagen als das Vorderrad wieder aufsetzte. Schön locker lassen, das hört von selbst wieder auf. Weiter am Gas und vor dem Anbremsen der Kehre das Gefühl, auf einer Wäscheschleuder zu sitzen. Durch den starken Wind und wohl auch durch den Regenschutz extremes Reissen am Oberkörper und Helm. Im Sprühnebel dann schemenhaft die Silhouette einer 1098R, und bald am Leder erkennbar mein Freund Hannes#191. Wie sich hinterher herausstellt, hatte er Probleme mit dem Helm bekommen, das Visier lief innen an, sodass er teilweise selbiges mit der linken Hand einen Spalt offenhielt und unten rausblinzelte. Und nachdem bekanntlich unter den Blinden der Einäugige König ist, wurde mir erstmals die Ehre zuteil, an ihm vorbeizugehen. Langsam war es nicht mehr ganz so nass auf der Ideallinie und der sparsame Ducatista weiss, dass man besser im Nassen bleibt, um die Regenreifen nicht zu ruinieren. Also weite Line fahren und auch nach dem ersten Hügel im Eingang zur Parabolica dem fiesen Wind trotzen, der es offenbar drauf anlegte, mich vom Moped zu fegen. Nach der Fünfer dann rechts am Streckenrand Ewaldson#666, dessen Tankboy sich verkalkuliert hat und dem in Topplatzierung liegend der Sprudel ausging. Dann endlich die schwarz-weiss karierte Flagge, weil es so schön war, die Start-Ziel noch durchgebrettert, gemütlich anbremsen der Einser und das Triebwerk runterfahren von Super Persuit Mode auf Casual Mode. Die Streckenposten winken, man winkt lässig zurück und rollt in die Box.

Alles gut gegangen, alles ganz geblieben, aber keinen Überblick, wo man liegt. Bike aufgebockt, Handschuhe aus, Helm runter, Ohrenstoppel raus und wissend, dass das im Anschluss noch stattfindende Rennen in der offenen SBK - Klasse ohne einen stattfinden wird, tief durchatmen, von Sebastian ein Bierchen ausborgen (die eigenen sind am Vorabend gemütlich durch verschiedene Kehlen geronnen) und allen, die heil ins Ziel gekommen sind, die Patschehändchen schütteln. Denen, die es nicht geschafft haben, das Bedauern ausdrücken und ab zur Siegerehrung. Das Bauchgefühl sagt einem, dass man so schlecht nicht liegt. Auf Platz 5 wird der motivierteste Ducatimechaniker Österreichs, Zokimoto#384, genannt, Platz 4 Fratello Hannes#191 und - fucking unbelievable- für mich Platz 3 in der Klasse Superbike. Platz 2 belegte der heimlich schnelle Herbert M. und auf Platz 1 Sepp U., der diese Position derzeit fix gebucht hat.

Was soll ich euch sagen, nachdem ich im Vorjahr 2 Mal in der Supersportklasse mit der 749 am Podest war - aber auch nur, weil bloß 3 Fahrer gestartet sind - und trotz der Tatsache, dass viele schnellere Fahrer diesmal nicht angetreten oder ausgefallen sind, war das mein erster Podestplatz, bei dem ich das Gefühl habe, ihn auch verdient und erarbeitet zu haben. Und das ist kein schlechtes Gefühl.


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Greeez
Hannes#151
"Omne animal post coitum triste"
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Beitrag von Henning #17 »

Sehr geil geschrieben:

"Bei knapp 200 Sachen die Hand hoch und PRACK - Winddruck nicht einkalkuliert, die flache Hand wie einen fiesen Kraken am Visier" :lol:
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Beitrag von der-bramfelder »

Hach, schön geschreibselt, und Glückwunsch zum Pott!

:icon_cheers
# 566 - im Ruhestand
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Beitrag von Stitch »

Gratulation zum Ergebnis!! :icon_thumright

Sehr schön geschrieben und wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf: mach beim nächsten Mal mehr Absätze. Das erleichtert das Lesen :wink:
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Beitrag von tiffernine »

Sehr schöner Bericht 8)

Hatte vergangenen Sonntag ebenfalls ein sehr nasses Rennen in Brünn. Hat aber leider nur zum 5. Platz gereicht. Wenn man mal im Regen seinen Rythmus gefunden hat, macht Regenfahren auch Spass - auf jeden Fall mehr als in der Box zu sitzen :wink: .
Ciao


Alfred
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Beitrag von Bennih8 »

"nachdem bekanntlich unter den Blinden der Einäugige König ist" :lol: :lol: :lol:

Klasse geschrieben! Hat Spass gemacht zu lesen...
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Wilko Kleine
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Beitrag von GSXR Junkie »

=D> =D> =D> =D> =D> Hoffen wir mal, dass uns am 3-5.6 diese Wetterkapriolen erspart bleiben.

Gruß GSXR Junkie #32
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