Teil 1:
Ich muss hier raus
Das Leben kann streßig sein. Meine Frau will ein ausgebautes Dachgeschoss, meine Mutter einen gemähten Rasen, meine insgesamt 6 Nichten und Neffen funktionierende PCs, diverse Freunde DSL und funktionierende Laptops, die 24h K3 Hure ihr neues schwarzes Kleid und mein treues Killerkaninchen Carbenok u.a. frisches Öl und neue Reifen. Püüh, ich brauchte dringend ne Pause und gönnte mir erstmal ein Knoppers. Zum Glück stand das 4h Langstreckenrennen mit dem lustigen Namen „Bördesprint“ vor der Tür. Eine ideale Gelegenheit, sich mal wieder richtig den Kopf frei zu blasen. Leider gab es wie im echten Leben noch einige Prüfungen zu bestehen, bevor die Vernunft beginnen konnte. War noch in den frühen Wetterprognosen von fast idealen Bedingungen die Rede, kachelmannten die digitalen 5 Wetterweisen nun eher arktische Temperaturen und dunkle Blumenkohlwölkchen, aus denen Regen zu entweichen drohte. Zu allem Überfluß stellte ich fest, dass am Sonntag zuvor die WTCC in Oschersheim gastierte, was einer „NoGrip“ Garantie gleichkam.
Ich war mürbe. Am Pfingstsamstag, an dem ich in aller Ruhe sowohl die K3 als auch meine K5 vollenden wollte, bekam ich diverse haushalterische Tätigkeiten auf den Helm gedrückt. Die blosse Erwähnung, dass ich kurz zur Post wollte, brockte mir das volle Programm ein: Papier und Altglas wegbringen, kurz bei Rewe Apfelmuss, Puffer (natürlich nur die von du weißt schon wem, auf gar keinen Fall die Billigpuffer der Hausmarke) und diversen Kleinkram kaufen, welchen die fiesen Angestellten wie üblich in den letzten Ecken des Megamarktes vor mir versteckten, dann zum Dorfschlachter und 3 Pfund Thüringer und 20 Stück Minutensteaks kaufen, das geht doch ganz schnell, Schatz

Gute zwei Stunden, nachdem ich kurz zur Post wollte, war ich auch schon wieder zu Hause und konnte endlich in die Garage. Ich warf den alten Ghettoblaster an und betrachtete für einen kurzen Moment des Glücks meine K5. Ihr Tank war demontiert, da ich an die Gaszüge musste. Ich schnappte mir den Zündstoffbunker und wollte ihn gerade montieren, als meine Mutter um die Ecke schaute und in ihrer unnachahmlichen Art fragte, ob ich wohl schon den langen Rasen gesehen hätte. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass der Rasen im Vergleich zu einer Heuwiese als geradezu kurzgeschoren zu betrachten sei und außerdem kalte Nachttemperaturen vorhergesagt seien und ich garniemalsnicht verantworten könne, dass er sich erkältete. Wieder meinem Tank zugewidmet klingelte meine mobile Kommunikationszentrale. Die Puffer von du weißt schon wem sind fertig, Essen kommen.
Fück, diese ständigen Unterbrechungen machten mich fertig. Ich aß 5,5 Puffer und suchte danach kurze Entspannung auf dem Sofa. Die kurze Entspannung dauerte 4 Stunden. Mein Akku war alle, meine Brennstoffzellen mussten nachtanken. Abends war der 40. Geburtstag meines Chefs, Pflichtterminalarm, vorher stand noch leichtes Beineauschütteln um den Marienberg auf dem Programm. Also quälte ich mich schließlich vom kuscheligen Sofa und wusch mir die Haare, um ein wenig Leben in mich zu bekommen. Gelang mir nicht wirklich. Egal, dann laufe ich mich eben wach. Auch das gelang mit nicht wirklich. Ich quälte mich um den Berg und sah nicht einen einzigen Molch, eine Farce.
Geduscht und in passende Abendkleidung gehüllt, fand ich mich schließlich inmitten der 40er Feiergesellschaft vor einem alkoholfreien Franziskaner Hefeweizen wieder. Das Leben kann grausam sein. Ich fraß mich aus purer Langeweile einmal durch das kalte Büffet und wieder zurück. Da ich meinen Chef wirklich mag, benahm ich mich aber ansonsten würdevoll und hielt brav Smalltalk mit der UpperClass. Liebend gern hätte ich auch mit dem ein oder anderen Kollegen 34 alkoholhaltige Hefeweizen eingeatmet, aber dann wären die Suzis heute noch nicht fertig. Als die Mittvierziger kurz nach Mitternacht schließlich zu den Klängen der Kapelle AC/DC zu Haedbanging ansetzten (kein Witz) empfand ich es an der Zeit, zu gehen. Ich warf noch schnell unsere Empfangsdame an ihrer Homebase raus und fiel in tiefe Bewusstlosigkeit.
Als ich am Sonntag mit zerzaustem Haupthaar und immer noch ekligem Nachgeschmack des alkoholfreien Weizens am Frühstückstisch saß, ließ ich meine Familie wissen, dass mich heute noch nicht mal eine nackte und in Gummistiefeln fussballspielende Angela Merkel vom Schrauben abhalten könne. So war es dann auch. Nach durchschraubtem Tag und einer wilden Pack & Press Beladeorgie meines treuen Bullys rollte ich um ca.18 Uhr in Richtung Arena, um den Spaß wiederzufinden. Nach drei Kilometern drehte ich um. Ich hatte den Frontständer vergessen. Ich glaube, ich bin noch nie beim ersten Mal durchgekommen. Schön, dass man sich auf manche Dinge verlassen kann

Laut Anmeldebestätigung war Einlass ins Lager der Vernünftigen ab 19 Uhr. Leider hielt sich die WTCC nicht die Bohne an diese Abmachung. Ich besuchte daher noch kurz meinen Teampartner Björn, der nur wenige Kilometer von Osch entfernt wohnt und wies ihn in die Geheimnisse einer Rödelzange ein. Er lud mich auf eine Kleinigkeit zum Orientexpress ein, bei dem ich den wahrscheinlich größten jemals zubereiteten Dönerteller für gerade mal 5,70 Euro zu mir nahm. Das Leben kann satt sein. Um 20:30 Uhr wedelte ich am oscherischen Eingang mit meiner Nennungsbestätigung und freute mich quadratisch, endlich mal wieder einen ganzen Tag sinnlos im Kreis fahren zu können. Das Leben kann herrlich leicht sein...
Guten Morgen
45
.