Da bin ich schon wieder
Teil 4
"Alles kann, nix muss" oder Turn 1
Ich kam insgesamt mittelprächtig weg, verlor vielleicht 5-6 Plätze, war mir aber in einem 4h schnurzegal. In der Hotelkurve sortierte ich mich in die Perlenschnur ein und beging die erste Runde sehr sinnig. Ich hatte vorn einen gebrauchten und über den Winter gereiften 758er montiert und keine Gelegenheit, ihn mehr als eine Runde zu testen. So ging ich erst mal auf Nummer sicher und folgte den Vorderleuten unauffällig. Bundy tauchte Ende der Triple, wie sollte es anders sein, links auf den Rasensteinen auf. Half ihm aber auch nix, kurz danach drückte ich mich freundlich grüßend wieder vorbei.

Ich freute mich, mit diesem albernen Sack unzählige geschmeidige Runden in den Asphalt zu brennen. Nach zwei Runden war ich auch vom Grip des vorderen Pneus überzeugt, hinten war eh kein Thema, der metzelische SC2 war ja quasi neu. Ein paar Moppeds vor mir tauchte Heini auf unserer 24h Hure auf. Er fuhr schön sauber und flüssig, zog aber beim Rausbeschleunigen sehr sinnig am Kabel. Das war so abgesprochen, weil wir sehen wollten, wie lange der Bridgestone bei schonender Fahrweise grippt. Da mir dererlei Behinderungen nicht auferlegt waren, düste ich an Heini freundlich grüßend vorbei und machte es mir hinter einer weißen R1 (RN09 oder älter) gemütlich. Er fuhr annähernd meinen Speed und ich rollte konditionsschonend hinterher. Es standen hier drei Turns an, gute zweieinhalb Stunden Fahrzeit, ein erster wirklicher Test meiner bisherigen Fitnessbemühungen. Nur nicht gleich alle Energie verpulvern. So vergingen einige Runden. Ich beschäftigte mich derweil mit der weiteren Einübung des umgedrehten Schaltschemas. Aufgrund sehr alberner Gründe wollten meine Teamkollegen kein System am Mopped, mit dem man das Schaltschema umdrehen kann. Ihr Argument „Man könnte es beim Boxenstopp vergessen“ war nun wirklich ein Killerargument. Man kann ALLES vergessen, dann brauch ich gar nicht erst antreten, wenn ich Angst hab, was zu vergessen! Da könnte ich mich aufregen. Mann, mann, mann. Aber es war nix zu machen, also musste ich mir was einfallen lassen.
Mein Vater, zu seinen Lebzeiten ein Reiter aus Leidenschaft brachte mich auf den Gedanken, mein Mopped wie ein Pferd mit Zügeln zu betrachten. Wenn man an den Zügeln zieht, soll der Zosse langsamer werden. Übertragen auf meinen Boliden musste ich am Schalthebel ziehen, um runter zu schalten, also langsamer zu werden. So taufte ich meine Kleine am Lausitzring kurzerhand in Rosinante um und hielt die Zügel fest in der Hand. Beim Anbremsen rief ich seither fleißig „Ho Rosi Ho“ in meinen Helm und trat beherzt unter den Hebel. Was soll ich sagen, klappte richtig gut. Beim Hochschalten warf ich die Zügel übertragen auf den Tank, trat also auf den Hebel. So ritt ich also hoch zu Ross um den Kurs freute mich, dass niemand hörte, wie ich beständig „HoHoHo“ oder „Lauf Rosi du alter Recke“ in meinen Helm murmelte.
Als ich so im versammelten Galopp um den Kurs ritt, fiel mir mal wieder auf, dass dieses arschenlochblöde umgedrehte Schaltschema am Ende der Triple gar nicht ging. Es ist quasi unmöglich, dort zwei Gänge runterzuschalten, ohne seinen Fuß kurz und klein zu schleifen. Auch Versuche, zwei Gänge auf einmal runter zu schalten, gingen in die Hose, weil mir das Bremsmoment fehlte. Ich lass da normal nach jedem Runterschalten kurz die Kupplung kommen. Ich schaltete somit immer nur einen runter und erst beim Umlegen in die rechts den zweiten. Man gewöhnt sich ja an alles. So langsam war mir die R1 dann doch ein wenig zu langsam, gerade in den Anbremszonen lief ich jedes Mal ziemlich auf. Genug rumgedrömmelt, bin ja nicht zum Gurken schälen hierher gekommen. Ich fasste mir ein Herz und bremste ihn Ende Gegengerade aus. In den nächsten Runden versuchte ich bei immer noch sehr hohem Verkehrsaufkommen, die Grenzen des MEZ Slicks auszuloten. Ich glaub ich bin noch nie in einem einzigen Turn so oft quer aus einer Kurve gekommen. So wirklich brutalen Grip hatte das alte Ding nicht, aber er war sehr gutmütig und ich hatte mächtig Spaß bei der Strassenmalerei.
Irgendwann kam ich mal wieder in leichtem Wheelie aus der Hasseröder, ein Zeichen, das ich sie gut getroffen hatte und sah am Horizont ein mächtig großes schwarzes Heck auftauchen. Allerdings war dieses Heck schon so nah am Einlenkpunkt zur Triple, dass ich es nicht weiter beachtete. Je näher ich kam, desto größer wurde das schwarze Etwas. Ich kam meinem Einlenkpunkt bedrohlich näher. Das Heck war nun als das eines Zylonentankers der Hayabusa-Klasse zu erkennen. Ich musste mich entscheiden, ob ich vor oder nach der ersten Links überholen sollte und entschied mich für letzteres. Da ich die Überholvorgänge von Überrundeten für das mit Abstand Gefährlichste bei einem Rennen halte, pflege ich hier nach festen Regeln vorzugehen. Es gibt immer einen Punkt, an dem ich mich Pro oder Kontra bezgl. dem Überholen entscheide. Diese Entscheidung steht dann und wird auf jeden Fall durchgezogen. Ich denke, so bin ich auch für nachfolgende am besten einschätzbar. Bei der Entscheidungsfindung habe ich oftmals die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, sofort zu überholen, als lange zu fackeln und halbentschlossene Versuche zu starten. Dabei entstanden die mit Abstand gefährlichsten Situationen, in denen ich schon einige Male mit wimmernden Vorderrad gerade noch einen Einschlag verhindern konnte.
Zurück zu meinem Hayabusa Problem. Der Typ war wirklich ewig weit weg, ich wollte ihn daher in Ruhe nach der ersten Links außen überholen. Eigentlich überhaupt kein Thema. Ich hatte allerdings nicht mit der molchschonenden Einlenkgeschwindigkeit des Zylonentankers gerechnet. Ich bremste innen an und bremste und bremste und bremste, aber der Tanker hielt unumstößlich Kurs immer der Sonne entgegen und machte keinerlei Anstalten, endlich mal einzulenken. Als ich unter 34 km/h fiel, fürchtete ich erste Einschläge von hinten, hielt aber immer noch an meinem Entscheidungsprinzip fest. Als ich schließlich auf gefühlte Schrittgeschwindigkeit runter war, ging nix mehr, ich löste die Bremse und wollte innen durch. Natürlich bekam der Tanker genau in diesem Augenblick Schlagseite und driftete nach links. Meine Fresse, was ist das denn für ein Knaller? Ich flutschte innen durch und fragte mich, ob der das gerade ernst meinte oder nur testen wollte, ob ich Spaß verstehe? So langsam KANN man gar nicht in diese Links einlenken. Der Typ wäre selbst auf der Landstraße das PaceBike für die Rentner mit ihren klorollenbewährten Jettas und Polo Classics gewesen. Immerhin war ich nun gewarnt. Es stellte sich heraus, das ich diesen komischen Erdling alle 4! Runden vor mir hatte. Ob es wohl mehrere von denen gab??? Wenn nicht, war der mit geschmeidigen 2:20er Rundenzeiten unterwegs. Ich kann’s nicht anders sagen, ich hatte schlicht Angst, wenn das riesige Hayabusaheck in meinem Zielradar auftauchte. Bei dem „Speed“ war der Flugzeugträger einfach unberechenbar. So was hat bei einem Rennen, wo das Hauptfeld zwischen 1:37 und 1:45 fährt, nix zu suchen, sorry.
Nachdem ich mich an diese immer wiederkehrende Prüfung gewöhnt hatte, war das Leben wieder ok. Ich swingte im „Alles kann, nix muss“ Modus durch die Welt und riss wie Bär Bruno in jeder Runde diverse nichtsahnende Schafe. Das Leben kann einfach sein. Ende Start /Ziel tauchte plötzlich ein Vorbau einer schwarzen K3 neben mir auf, die ich als Hawe Köhlesche Langstrecken-CruiseMissile identifizierte. Keine Ahnung, wer das Teil gerade pilotierte, auf jeden Fall kannte er Regel Nr. 8 nicht: „Überhole Hajo niemals Ende Start/Ziel“. An anderen Stellen ist das ja kein Thema, aber nicht in meiner Lieblingsanbremszone, da nehm ich es persönlich.

Also lockerte ich die Bremse und wartete geduldig, bis das Vorderrad wieder verschwand. Allerdings wusste ich nun, das ein Alphatier der Schafherde in meinem Nacken hing. Ich versuchte, den Schalter von „Alles kann, nix muss“ auf „Es gibt kein Morgen“ umzulegen. Leider hakte der doofe Schalter und ich fuhr ziemlich eierig um den Kurs. Es war so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die K3 näher an meinem Arsch klebte, als einem Hetero lieb sein konnte. Die letzte Rechts auf S/Z erwischte ich einen Tick zu spät und kam bescheiden aus der Ecke. Dann passierte, was immer passiert, wenn man es nicht gebrauchen kann: Ich verschaltete mich und blieb zwischen zwei Gängen hängen. Uiuiuiui, ich zog instinktiv den Kopf ein, weil ich jeden Augenblick mit einem Einschlag einer K3 rechnete. Zum Glück konnte ich mich auf den Kollegen und seine Reflexe verlassen und die K3 föhnte mit einem Abstand von 34 mm rechts an mir vorbei. Danke an dieser Stelle für die geile Reaktionszeit. Nachdem ich in seinen Abgasstrahl geriet, die K5 jedoch wieder stabilisieren konnte, nahm ich die Verfolgung auf. Zu einfach wollte ich es ihm ja auch nicht machen, hehe. Durch den Verkehr wurden wir zwar zeitweise etwas getrennt, aber mein Zielradar war immer noch aufgeschaltet. Leider blinkte genau in diesem Moment eine kleine gelbe Lampe in meinem Cockpit auf. Sprit alle, scheiße! Na gut, Pilger, diesmal hast du gewonnen, aber ich komme gleich wieder und dann bist du fällig, so wahr ich Loretta heiße. Ich gab Zeichen und fuhr nach einer weiteren Runde zum Spritnachfassen in die Chillout Lounge, kurz Box genannt.
Mahlzeit
45