

Quasi als Antidepressivum im ewigen sibirischen Winter... heute morgen -24,8° in meiner Heimatgemeinde~~~


Wenn ich nicht gebunden wäre dann hätt ich schon lange eine Hütte in Jerez de la frontera....


Die letzte Runde am Abend
Das Tier ist müde vom wilden Beutezug auf dem heißen Asphaltband des ledenonischen Schlachtfeldes....
Lange Zeit hat es heute gewütet unter den albernen Primatenaffen in ihren bunten Fellkleidern. Das Tier hatte bei Sonnenaufgang die Klauen gewetzt, Witterung aufgenommen, und dann gnadenlos gerissen, geschlitzt, verwundet und brüllend erlegt - ein entfesseltes Raubtier, gierend nach gebückten Opfern.
Ein letztes Mal brennt es nun auf dem Hinterrad die lange Steigung der Start/Ziel-Geraden hinauf. Auf der Mitte der Geraden lässt es das Vorderrad mit rauchendem Gummi sanft wieder auf dem Asphalt aufsetzen, spannt den Gaszug auf Anschlag und nimmt die erste der folgenden drei aufeinanderfolgenden Linkskurven mit Vollgas und wehendem Knie.
Vor der zweiten Links nimmt es das Gas minimal zurück und schneidet die kurveninneren Curbs, wobei es den Hahn wieder spannt. Kurz vor der letzten, engeren Links zieht das Tier am silbernen, verbogenen Bremshebel der KTM - die Lucas-Carbon-Beläge pressen sich wimmernd an die einsame Scheibe, das Tier tritt zwei Mal auf den Schalthebel, drückt die KTM hart auf die linke Seite und wirft sich dann schnell nach rechts, um die nachfolgende schikanöse Rechts auf den Curbs zu nehmen.
Die kurze Bergabgerade ist schnell vorüber. Beim Anbremsen der engen Rechtssenke fliegt das Tier laut grinsend an einem arglos vor sich hin vegetierenden Affen vorbei. Beim Rausbeschleunigen hört das Tier einen verzweifelten „Neeeein, nicht schon wieedeeeer!!“-Schrei.
Als sein Knie in der nächsten Linkskehre den Boden berührt, schaut das Tier kurz zurück. Es sieht, wie der Primatenaffe seinen Bückling der Gattung R1 am Streckenrand abstellt und sich leise weinend in den Kies setzt.
Doch diese Tragödie kann die unbändige Freude des Tieres auf die nun kurz bevorstehende Ejakulationsphase nicht im Geringsten trüben. Nach der schnellen Links scheint die Strecke wieder einmal einfach aufzuhören – ein Abgrund tut sich vor der schwarzen KTM auf.
Das Tier grinst nur in seinen Helm und zieht im fünften und letzten Gang ganz sachte am Lenker. Das Vorderrad entledigt sich wieder seines Straßenkontaktes und tanzt fröhlich gen Himmel. Das Gefühl, auf dem Hinterrad in leichter Linksschräglage über diese Kuppe zu wemsen, verschlägt dem Tier immer wieder den Atem – schier endlose Freude erfüllt seine Seele und sein Herz, vergessene Wunden brechen auf und heilen im tosenden Orkan der Empfindungen. Die Strecke fällt scheinbar senkrecht ab, das Tier hat gerade noch genug Willenskraft, das Gas zurück zu nehmen, um das Vorderrad kurz vor der folgenden schnellen Rechts wieder zu Boden zu werfen.
Wieder räubert es wild über die inneren und die äußeren Curbs, um dann ein letztes Mal die ansteigende Rechtskehre anzubremsen. Hätte das Tier einen Bückling mit weit aufragendem Tank, so wäre sein Gemächt wohl diesmal in die ewigen Wemsgründe geplättet worden.
Außen herum reißt das Tier noch einmal einen unvorsichtigen Affen, um hernach im Wheelie bergauf zu entschwinden…
Die schnelle Linkskurve am Gipfel des Hügels nimmt das Tier gelassen mit, um die sich zuziehende, omeganische Haarnadel dann genüsslich zu verspeisen.
Danach fliegt das Tier hinunter in den immer enger werdenden Schlund, der am tiefsten Punkt dieser thermonuklearen Strecke in einer schrottpresseähnlichen Linkskurve endet, die Fahrer und Maschine beim Anbremsen auf`s Heftigste zusammenstaucht und dann genüsslich wieder ausspuckt.
Nach dieser ultrakoreativen Kurve hebt das Tier den linken Arm und fährt rechts weg in die Boxengasse. Der Unterarm ruht auf dem harten, warmen Tank, die Augenlider kämpfen vergeblich gegen trotzige Freudentränen. Das Licht der untergehenden Sonne verschwimmt zu einem See aus Feuer und Licht. Der schwarze Einzylinder rollt langsam und dumpf grollend nach Hause ins Fahrerlager; neben dem Montageständer kommen Tier und Motorrad zum Halt. Der Motor verstummt, flüstert aber geheimnisvoll knisternd vor sich hin, und während er langsam abkühlt, verwandelt sich das Tier wieder in einen Menschling.
Der Menschling öffnet sein Visier, legt sich rücklings auf die Sitzbank, lässt die schweren Arme seitlich herabhängen, und schaut den Adlern zu, die majestätisch über der Strecke kreisen.
Das Leben kann so schön sein, man muss es nur lassen…