Rennen, Klasse 2 - Superbike Pro.
Ich hab die Schnauze voll. Die Sau schiebt sich immer auf Start-Ziel an mir vorbei, als ob ich keinen Gang drin hab. Der muss doch bescheissen, hat bestimmt nen Literblock im Rahmen hämmern….
Der Anfang:
Es ist Freitag, ich verlasse meinen Arbeitsplatz mal wieder viel zu früh und schwinge mich in meinen gepackten Bomber. Es geht erst gen Nürnberg, den redlichen Hembi einsammeln, dann geht’s an den Pann. Hembi entgleiste kurzweilig das Gesicht, als er meinen bereits bepackten Bus betrachtete und ich ihm versicherte, sein Gerümpel würde noch reinpassen.
Bis auf den Kasten Bier war alles verstaut. Der geneigte Zünder schmeisst die Matratze wieder raus um das Bier mitzunehmen. Wir haben die Einzelflaschen in jede freie Lücke gestecken, um sie mitzunehmen. Gut, es war eng. Wirklich eng. Aber es hat gepasst.
Ankunft am Pann: ca. 1Uhr in der Früh. Bus ausgeladen, Ankunftsbierchen. Hembi übernachtete im Vorzelt auf der Luma, ich ratzte mit meinem Weibe im Transporter. Wir hatten sogar 2 Heizungen dabei, eine für den Bus, eine für das Vorzelt. Aber wenn nachts die Sicherung von der Trommel fliegt, helfen die auch nicht mehr. Scheiße war das kalt.
Nach der durchwachsenen (-gefrorenen) Nacht ließen wir den ersten Turn sausen und ich wuchtete noch die neu montierten Altreifen. Ich hatte außerdem an meinem Spalteisen den reparierten Lenkungsdämpfer abgebaut, ich hatte das Gefühl dass er wieder nicht mehr funktionierte.
Ziel war es, am Pann endlich die 2:10min zu knacken, nachdem ich in den letzten 3 Jahren dort nie unter 2:18 gekommen bin. Und Hembi’s Aufgabe war es, mich dazu zu bringen.
Im Training hat mich Hembi einige Runden um den Kurs geschoben und mir eröffnet, dass ich gelegentlich auch mal die Kurbs benützen dürfe. Auf der Bremse sei ich gar nicht mal so schlecht. Die Überraschung stellte sich bei mir ein, als ich in die Startaufstellung für das Rennen spickte. Ich war in meiner Klasse, der Superbike Pro, auf Startplatz ELF von 44 mit einer Zeit von 2:11:xx!! Ich hatte doch glatt dank Hembi, dem fehlenden Lenkungsdämpfer und anderen Reifen ganze 7 Sekunden gefunden.
Unglaublich. Ich hatte noch niemals nicht die Startlinie von meinem Startplatz aus sehen können, nun stand ich in Reihe 3!! Total goil!!
Für das Sprint-Rennen (8-Runden) nahm ich mir Großes vor. Die 3 Plätze vor mir waren nicht arg viel schneller als ich, hinter mir lauerten auch gleich mind. 4 Fahrer mit der gleichen Zeit auf der Lauer. Vielleicht zieht mich ja einer mit und ich kann noch was gut machen, aber auf keinen Fall Plätze abgeben. Endlich mal ein Rennen, wo ich nicht ab Runde 2 alleine fahren werde, sondern mich ein bisschen reiben kann!
Der Vorstart klappte ganz ordentlich, allerdings hatte ich Probleme das Vorderrad unten zu halten. Ich legte beim Start alles Gewicht so weit als möglich nach vorne, also die Plauze auf den Tank. Vom Start weg machte ich gleich 2 Plätze gut und reihte mich hinter einer rot-weißen 750er ein.
Und ich in hatte Alex, so sein Name, einen Spielpartner gefunden. Nachdem sich das Feld ein wenig aufgelockert hatte pflügten wir zusammen um den Kurs. Auf der Geraden flog er immer vorneweg und ich verlor wichtige Meter, in den Mutkurven machte ich viele Meter auf der Bremse wieder gut. Auch in den Kurven war ich einen Tick schneller, kam aber nicht vorbei. In Runde 4 drückte ich mich das erste mal in der Scheißhauskurve (Kurve 14) an ihm vorbei. Auf der Start-Ziel-Geraden wurde ich von ihm so dermaßen gedemütigt, dass ich an einen Fehler meinerseits glaube. Gang verwechselt, schlecht aus der Kurve gekommen, Gas gelupft. Irgendwas war passiert. Egal.
Also habe ich mich wieder angefangen ranzubremsen. In Runde 6 war ich wieder nah genug dran, und bremste mich wieder in der Scheißhauskurve innen rein. Auf Start-Ziel brannte er wieder an mir vorbei und zuckte mit den Schultern. Er schien zu kichern, ja mich auszulachen.
Ich hab die Schnauze voll. Die Sau schiebt sich immer auf Start-Ziel an mir vorbei, als ob ich keinen Gang drin hab. Der muss doch bescheissen, hat bestimmt nen Literblock im Rahmen hämmern.
Dass ich nicht, wie es Hajo gerne macht, meinen Schlusssprint in die Auslaufrunde verlege weil ich die Rundenzahl nicht lese, musste in dieser Runde was passieren. Mein Plan war, ihn wieder an der gleichen Stelle zu überholen. Und dann die Arschbacken zusammenkneifen und ihm bis SZ so viele Meter aufzubrummen, dass er weder den Windschatten, noch seine übermäßige Leistung ausspielen konnte. Wenn ich ihn nach SZ noch hinter mir habe, dann kann ich den Platz bis zur Flagge halten. Wenn er sich wieder erwarten vorbeidrücken sollte, bin ich so nah dran, dass ich vielleicht noch vor meiner Alex-Herbrennungskurve 14 an ihm vorbei kann um das Rennen für mich zu entscheiden.
Ich klebte an seinem Hinterrad, in den Kurven hätte keine Bildzeitung dazwischen gepasst. Vor der besagten Alex-Herbrennungskurve musste ich kurz das Gas lupfen, weil er unerwartet früh auf die Bremse ging. Hatte er von meinem Plan gewusst?
Ich schaffte es, mich in dem Rechtsknick links außen neben ihm zu platzieren. Er musste mein Vorderrad gesehen haben, denn er gab wieder kurz Gas und bremste ziemlich spät. Aber ich war innen. Und ich bremste später.
Das lebensverneinende Bremsmanöver brachte mich vor ihn, im Augenwinkel sah ich wie er sich für den direkten Konter vorbereitete. Er dachte, ich gehe weit, und wollte wieder innen durch. Damit hatte ich aber gerechnet. Ich winkelte so scharf wie noch nie die Gixxer auf die Seite und dachte, dass ich gleich das Knie in den Tank drücke. Ich war so erschrocken über den harten treffer am Knie, dass ich einen halben Meter rollen ließ, bevor ich wieder ans Gas ging.
Mein Schreck hatte jedoch dazugeführt, dass auch Alex nicht direkt ans Gas konnte, und so verlor er seinen Schwung. Die folgenden Kurven bis Start-Ziel bremste ich noch später als sonst und ging noch härter ans Gas. Beim raus beschleunigen auf die Gerade rechnete ich mit seinem Vorderrad im Augenwinkel, aber es kam nicht. Erst kurz vor meinem Bremspunkt erklang das trotzige Grummeln seines Akras rechts neben mir. Ich sah meinen Bremspunkt noch im Augenwinkel links vorbeihuschen, sein Vorderrad im Augenwinkel rechts auf gleicher Höhe. Wir flogen über die Kuppe, ich hielt den Atem an. Was, wenn er nicht bremst?
Ich wusste, dass ich auf der Bremse besser war, aber viele Reserven hatte ich auch nicht mehr. Als dann endlich seine Front eintauchte, griff ich voll in die Eisen.
Leute, ich kann euch sagen, ich hatte da schon die Buxe eingefärbt.
Mit wimmerndem Vorderrad riskierte ich einen Blick nach rechts, sah dort kein Vorderrad direkt neben mir und lenkte ein. Im 4 Gang fuhr ich so schnell wie nie zuvor durch die erste Rechts, legte kurz an, und bremste bei der Querfuge. 2 Gänge runtersteppen, kurz und hart umlegen in die zweite Rechts und dann voll ans Gas und raustragen lassen. Bis hier war mein Plan aufgegangen, jetzt musste ich nur noch durch und ihn hinter mir halten.
Und dann kam das, worauf man in diesem Moment am allerwenigsten gefasst ist. Das Hinterrad verliert urplötzlich den Grip und der Bock versucht dich mit aller Macht abzuschütteln. „Wie will denn der Scheiß Bock ohne Fahrer den Platz verteidigen?“ schießt es mir durch den Kopf. Irgendwie, es muss wahnsinnig bescheuert ausgesehen haben, schaffte ich es am Motorrad hängen zu bleiben und nicht zu stürzen. (Jetzt war die Kombi bis zum Kragen voll)
Die vom Hintermann überlieferte Stellungnahme auf die Frage, wie es aussah: Stell dir vor, du steigst nach rechts vom Motorrad ab und willst es nach Links auf den Ständer abstellen. Du hast den Ständer aber nicht ausgeklappt. Das Motorrad kippt, du hältst dich am Lenker fest und stemmst dein Körpergewicht in die entgegengesetzte Richtung. Du kannst den Bock gerade noch vor dem Umfallen bewahren, stehst aber dumm rum und versuchst verzweifelt, den Hobel wieder zu dir rauf zu ziehen. Das ist der Moment, wo dir jemand zu Hilfe kommt.
Du Penner machst das ganze bei 100 Sachen und schaffst es sogar noch, wieder drauf zu klettern. Zum Glück, denn wärst du hingefallen, hätte ich dich wahrscheinlich überrollt.
Ich konnte es kaum fassen, den Nahezu-Highsider gestanden zu haben. Mir fehlen einfach 2-3 Sekunden, wo ich mich nur Bruchstücke erinnern kann:
Rutsch…Kick…Fußspitze schlägt schmerzhaft auf Asphalt….Kick...Bauch auf Tank…Helm über Verkleidungsscheibe…Blick aufs Vorderrad…Schmerzen, weil Eier am Tank angeschlagen…SITZEN….Krampf…Weiterfahren.
Alex hatte sich naturgemäß schneller von seinem Schock erholt als ich und zog vorbei, auch der Nachfolgende Fahrer drückte sich noch an mir vorbei.
Scheiße, 2 Plätze verloren.
Geil, den Bock heile gelassen.
Ich ließ zu den 2 Jungs abreißen und fuhr, mit Krämpfen in den Beinen von der Showeinlage, den 9ten Platz nach Hause.
Mit 1 Sekunde Rückstand überquerte ich die Ziellinie und sah die beiden Jungs vor mir. Sie warteten auf mich, Alex bedankte sich bei mir für den geilen Fight und beide gratulierten mir zum Nicht-Sturz.