ich möchte Euch, nachdem ich hier meinen Unmut kund getan habe, auch gerne an den erfreulichen Fakten teilhaben lassen.
Wer sich erinnern kann - bei dem DLC Lauf am 01.08.2010 am NBR stürzte ich Ende der Start - Ziel bei relativ langsamer Geschwindigkeit.
Durch den stumpfen Aufprall auf die Schulter rissen die Bänder, die das Schlüsselbein auf Höhe des Schulterdach´s halten - alle Bänder ab, aber das Gelenk nicht weiter beschädigt. Das sogenannte Klaviertastensyndrom ist das Ergebnis gewesen.
Eine sehr unangehme, schmerzhafte und vor allem langwierige Verletzung - so wird steht es in den meisten Fällen niedergeschrieben.
Tossy III oder Rockwood III sagt der Mediziner.
Nachdem die Erstversorgung mit einem Rucksackverband im Krankenhaus in Adenau erledigt war und ich die Heimreise antreten konnte gingen mir schon die ersten Gedanken durch den Kopf wann ich wohl endlich wieder auf´s Motorrad steigen kann.
Die weitläufigste Aussage war: Die Saison ist beendet. Damit fährst Du dieses Jahr kein Motorrad mehr ... Shit...
Ich bin also mit meinem Trafic und dem Motorrad im Gepäck, das mein Kumpel Andi sorgsam eingepackt hatte, dann auf die Heimreise gegangen.
Nach der ersten reichlich schmerzhaften Nacht mit wenig Schlaf, da die einzige erträgliche Position die Rücklage war und ich auf dem Rücken nicht schlafen kann, machte ich mich am Montag gleich daran zu schauen welche Möglichkeiten es gibt solch eine Verletzung zu behandeln.
1) Konservativ - einfaches Ausheilen mit Rucksackverband und Ruhestellung für 6- 8 Wochen
2) Diverse Operationsmethoden vom kleinen bis zum großen Eingriff
Recht schnell wurde mir klar, dass es noch keine richtig gute Methode gab. Zu viele wurden praktiziert. Auch die Erfahrungen in den diversen medizinischen Foren spalteten die Mitglieder. Die Tendenz zur OP war auf jeden Fall zu ersehen, aber welche... das war die Frage.
Eine recht neue und wohl auch daher recht stiefmütterlich behandelte Variante ist das "Tight Rope" Verfahren. Ich muss gestehen, da ich´n Kerl mit Affinität zur Technik bin, war mir sofort klar: Das muss ich haben!
Drei Doc´s waren im Netz zu finden, die damit bereits Erfahrung gesammelt zu haben schienen.
Hannover, Düsseldorf und München waren die Orte... die meine Suche ergab. Nun, ich bin Nordlicht... also rief ich in Düsseldorf an und präsentierte meine Vorstellung.
Ich würde gerne morgens ankommen. Kurz untersucht werden und dann am Nachmittag operiert. Wenn´s unbedingt sein muss, dann würde ich noch eine Nacht bleiben. Schallendes Gelächter war das Resultat ...
Also der nächste Versuch. Der Anruf in Hannover... Eilenriede Klinik; Dr. Jens Agneskirchner...
Ich schilderte der Sprechstundenhilfe mein Begehr und sie sagte mir, dass der Doc gerade heute aus dem Urlaub gekommen ist - ich könnte, wenn ich am Dienstag ein wenig Zeit mitbringen könnte, dann auch gleich mit ihm sprechen. Gute Idee, gesagt getan ...
Ich also am Dienstag zum Doc nach Hannover - die Röntgenbilder aus Adenau mitgebracht und zum Doc rein. Seine Empfehlung: OP ! Okay, dass war mir klar. Und er sagte: Nach Möglichkeit recht zeitnah.
Daraufhin erwiderte ich: "An mir soll´s nicht liegen" ... Er widerum " Gut, dann morgen! Es hat gerade jemand eine andere OP abgesagt" ...
Ich willigte ein.
Es wurde bereits am Dienstag die ersten Voruntersuchungen gemacht. Blut für´s Labor, EKG und dieser Kram... dann ging´s heim
Mittwoch morgens dann wieder nach Hannover ... um zehn hab ich das Zimmer bezogen. Die Privatklink macht schon was her. Das Zimmer sah hübsch aus, das haben andere nicht als Wohnzimmer ...
Erschrocken war ich lediglich vom Stationspersonal ... die Dame mit nicht deutscher Abstammung hat zur Begrüßung und Aufnahme in Ihrer Arbeitsweise sämtlich vorstellbare Klischees gänzlich erfüllt.
Kurz gesagt - da ging nix glatt oder wurde vergessen.
Nachdem ich alle Nachbesserungswünsche angesprochen hatte .. durfte ich auf meinen Einsatz warten. Die vorausgehenden OP´s verzögerten meine Patientenrolle ein wenig ... aber ich hatte ja Bildungsfernsehen am Vormittag. Ich mag die Privaten!
Dann rollte die nächte Armada Stationsschwestern an. Alle knackig jung und ganz frisch aus der Ausbildung. Zum Angucken und Puls messen durchaus zu gebrauchen. Nur was passiert, wenn´s mir richtig dreckig geht? So langsam kamen die ersten Zweifel.... bin ich hier gut aufgehoben.
Nun, ich verdrängte die Gedanken und dann ging es los. In den Rollstuhl gehüpft und ab in die Narkoseabteilung. Dort begegnete ich dem Schrecken des Vortages. Blond, dicke Dinger und ein wenig Schlick auf der Zunge; Okay, nicht so schlecht anzusehen ... aber dafür ganz schlecht anzuhören. Sowohl Stimmlage als auch der produzierte Inhalt des Stimmorgans lösten bei mir einen Fluchtreflex aus. Auf das lustlos ausgeführte EKG am Vortag mit der Aussage: Ich hab keinen Bock darauf - da fand ich´s noch fast witzig .... schürte sich jetzt eine Schlinge um meinen Hals. Shit, in die Hände von so einem Huhn soll ich mich jetzt begeben ? No, NEVER!
Gott sei Dank kam der Narkosearzt nahezu zeitgleich mit meinen Gedanken um die Ecke. Und ich dachte: "Endlich normale Leute" Mein Puls senkte sich auf ein erträgliches Niveau und ich wußte warum ich gestern das Vertrauen gefasst hatte und mich genau hier operieren lassen wollte.
Wir witzelten ein bisschen und mit der Scheissegaltablette intus ging es in Richtung OP-Saal. Ich erkannte den Doc noch und weil ich guter Sabbelstimmung war - der Tablette sei Dank - sagte ich dem Doc noch; er solle das bitte ordentlich machen. Ich muss bald wieder Motorrad fahren. Er antworte darauf: "Ich bau gleich zwei der Tight Rope´s ein" ... ich hielt das für einen Witz! Dank fiel ich in den Schlaf ...
Ich wachte auf, und mein Arm war weg... komplett weg... nix mehr da. Hhhhmmm, was hatte ich dort in der Einwilligungserklärung nur unterschrieben. Stand da was von Amputation?!?!?
Na gut, vielleicht sollte ich mal gucken .... komisch - liegen tut er da, aber ich fühle ihn nicht... äääähhhh logisch, Arm und Schulter wurden doch separat betäubt, damit die Narkose nicht so stark sein muss. Alles für die Gesundheit.
Ich war müde, fühlte den Arm nicht.... also schlief ich noch ein bisschen. Die hilflosen Schwestern taperten in aller Regelmässigkeit in mein Gemach und zerrten an meinem noch zu fühlenden Arm auf der anderen Seite. Die ersten Schmerzen traten auf, aber ich blieb ein ganzer Kerl und behielt´s für mich... Fieber messer im Ohr und Blutdruck sowie Puls war die halbstündige Aufgabe der jungen Dinger. Irgendwie, fragt mich bitte nicht wie, aber irgendwie haben sie´s hinbekommen.
Am Abend kam der Narkosearzt nochmals um den Arm zur Nacht noch einmal in einen ganzheitlichen Schlaf zu legen. Ein Schmerz-Katheder am Hals, der genau vor dem Nervenstrang des rechten Arm´s lag sorgte für die weitrechende Betäubung. Der leichte Schmerz, der zu spüren war lies wieder nach und ich schlief ein.
Es war kurz vor zwei in der Nacht. Der rechte Schulterbereich schmerzte wie Sau. Der Arm in der Medi-Arm-Sling war immer noch betäubt. An selbstständige Bewegung war nicht zu denken. Also bemühte ich den ganzen Körper um eine Positionsveränderung des Armes zu realisieren. Alles hin und her nütze nix. Die Schmerzen wurden nicht weniger. Ich stand auf, legte mich wieder hin ... warf die Schmerztabletten vom Nachttisch ein, legte mich wieder hin, stand wieder auf ... ICH DREH DURCH!
Ruhig Toddi, ruhig sagte ich mir. Also, das Bildungs-Nacht-Programm von RTL und SAT1 brachte meine Stimmung nicht auf ein Hoch. Zu sehr beschäftigte mich dieser betäubte, jedoch in Teilen schon wache Arm. Scheisse wie lang können sechs Stunden sein? Und wie mühsam ist es sich ohne diesen Arm zu bewegen, bzw. nur mit Vorsicht zu bewegen? Ich hasste diese Nacht... aber auch verhasste Nächte enden irgendwann. Es kam die männliche Nachtschwester mit der morgendlichen Ration an Schmerzmittel die ich dankend aufsog... aber Abhilfe brachte diese nicht unbedingt.... dann irgendwann war´s es soweit... Dr. Agneskirchner kam zur Tür herein und ich klagt ihm mein Leid. Diese olle Armschlinge, die würde mich noch umbringen.... "na, dann nehmen wir sie halt ab"; sagte er.... Weg waren Sie - weg waren all die nächtlichen Schmerzen. Klar, ein leichtes Ziehen hier und dort, aber locker ohne Mittelchen zu ertragen. Auf sein Anraten bleib ich noch eine weitere Nacht. In dieser jedoch, schlief ich wie ein Stein... na gut, ab und an wachte ich auf weil es ein wenig zog und ich ja bekanntlich auf dem Rücken nicht so gut schlafen kann, aber ich schlief und mußte meine Synapsen nicht mit dem nächtlichen Programm der privaten Sender belasten!
Am nächsten Morgen packte ich dann meine Sachen, wartete noch kurz auf den Physiotherapeuten und sprach einige Übungen mit ihm durch. Passive Bewegungen übten wir vor Ort. Die Medi-Arm-Sling, die ich bis zu sechsten Woche post OP tragen sollte lies ich gleich auf dem Zimmer... so´n Scheissding!
Ab in´s Auto und ab nach Haus. Einem guten Kumpel sei Dank, durfte ich die nächsten zwei Wochen seinen Automatik-Wagen fahren. Bewegung war zwar möglich aber nur eingeschränkt.
Der Doc sagte, ich solle mit der Bewegung nicht übertreiben. Die Bänder, die das TightRope ausmachen halten zwar ein ganzes Motorrad, können aber durch die Microbelastung der Reibung am Knochen trotzdem irgendwann versagen. Die Angst war somit präsent.
Ich kann vorweg nehmen. Sie war unbegründet. Von Tag zu Tag wurde der Bewegungsumfang von mir gesteigert... und nach zwei Wochen fing ich mit der Physiotherapie vor Ort an.
"Sowas hab ich noch nicht gesehen, dass solll ein Tossy III nach zwei Wochen sein" ... polterte es aus dem Fachpersonal heraus. "Niemals" ... erst die Röntgenbilder konnten den Physioheini überzeugen.
Muss also gute Arbeit gewesen sein, die der Doc dort ausgeführt hat!
Ja, das war sie




.... den weiteren Ablauf schildere ich kurz. Nach vier Wochen habe ich auf der Nordschleife wieder die ersten Runden mit dem Motorrad gedreht. Am letzten Wochenende bin ich am Lausitzring einen Trainingsturn gefahren - mit entsprechender Zurückhaltung versteht sich. 8 Wochen nach der OP werde ich wieder fixe Runden drehen. Den Jahresabschluß mit BikePromotion lasse ich mir nicht entgehen... und Brünn soll ja sowieso der Hammer sein ... ich freue mich ...
Vom Ende der Motorradsaison für 2010 ist keine Rede mehr - gute OP-Methode, zügige OP nach dem Unfall sowie der eigene Antrieb machen so Einiges möglich.
Solltet Ihr also mal in einer ähnlichen Situation sein... denkt daran... nichts ist unmöglich

Toddi