Part I: The Heat @ Hocken:
Die Sonne stand heiß am Himmelszelt als ich am Samstag, dem 18.06. um 13.34 Uhr im Lager der Fahrer eintraf. Ich stellte meinen T4 ab und begab mich flugs zu meinem Freund Bernd Dietrich, die einzige bereits anwesende, mir bekannte Hackfresse.
Ich setzte mich in den Schatten seines Renndienst-Zeltes, trank meinen traditionellen Angekommen-Beam, und ließ mir von Bernd die neuesten Geschichten aus der Welt der Reifen und des Aufzündsports berichten.
Nach einer halben Stunde kam dann der Teamchef himself, Micha Bongen von Pirate Racing, mit seiner viel hübscheren, besseren Hälfte Ulli, und mit meiner alten KTM an, mit der ich hier nochmal in der Duke-Battle blankziehen wollte, der er einen neuen, potenteren Motor verpflanzt hatte - getreu dem alten Aufzünder-Motto: „Potente Motoren für potente Männer.“
Micha hatte die Oma sogar geputzt, etwas das ihr in ihrem bisherigen Leben noch nie widerfahren war. Sie sah richtig gut aus....
Nachdem alles aus- und eingeräumt war setzten wir uns erstmal in den Schatten und tranken ein Begrüßungskorea - schließlich mussten wir ja heute nicht mehr fahren. Es war sehr lecker.
2 Stunden später kam dann noch mein allgäuer Kumpan Ralph an, der einen Schlafplatz im Hochdach des T4 bestellt hatte und mir helfen wollte, die Korea-Rohstoffe zu vernichten. Ich konnte eh nur marginale Mengen zu mir nehmen, da ich jede Minute mit einem Anruf meiner Frau rechnete, die mir mitteilen würde, dass unser Baby raus will.....
Um 19.77 Uhr kam dann noch mein kleiner Bruder Tigger, der mir seinen Laptimer mitbrachte, da ich meinen zu Hause vergessen hatte

Ich erledigte noch ein paar Anpassungsarbeiten an der Oma (Schalthebel, Kupplungs- und Bremshebel) und begab mich gegen Abend dann noch mit ihr auf den Prüfstand von meinem alten Vietnamkameraden Thomas Hoemke, der den Prüfstand sicherheitshalber immer im Handgepäck mit sich führte.
Da Micha der Oma einen leicht modifizierten 660er-Motor implantiert hatte (Factory-Nocke, Kopfbearbeitung), hatten wir doch leichte Bedenken, dass der Motor die max. erlaubte Leistung von 64,9 PS am Rad überschreiten könnte, und ich war doch einigermaßen beruhigt, als Thomas etwas von 65,2 sagte.
1-2 PS konnten wir durch fettere Bedüsung und einen Standardluftfilter noch locker subtrahieren....
Ich saß gerade in der Abenddämmerung im orangen Licht des Duke Battle-Centers, als ich einen Anruf von einer mir bislang visuell unbekannten Person erhielt. Es war ein Schweizer namens Maddie - in meiner Phantasie war er riesengroß und hatte ein lange Headbanger-mähne. Er sagte er wäre schon im Lager und würde mich suchen. Ich erhob mich also von meinem bequemen Platz am koreanischen Strand und ging hinaus. Dort wandte ich mich nach rechts, aber die Stimme in meinem Ohr sagte mir, ich solle mich doch mal um 180 Grad umdrehen. Hätte ich das bloß nicht gemacht, denn der Anblick des Wesens, das da auf mich zukam, ließ mir den Atem stocken. Meine Zehennägel rollten sich auf und rissen tiefe, blutende Furchen in meine einst so hübschen Zehen.
Ein kleiner Hänfling mit kurzen Haaren kam auf mich zu, in seiner Hand hatte er eine Einkaufstüte. Er sah unglaublich hässlich aus, aber als er mir ein Korea-T-Shirt überreichte, überwand ich meinen Ekel und schloss ihn in meine starken Arme....
Es stellte sich heraus, dass er trotz seines üblen Aussehens ein sehr netter Menschling war, und so wurde der Abend noch sehr lustig.
Wir saßen unter dem Piratenpavillon, aßen Fleisch und lecker Salat, tranken mehr (ich) oder weniger (andere) dezent Korea, und genossen die warme Nacht im Fahrerlager dieser herrlichen Rennstrecke. Die Lustigkeit erreichte ihren Zenit, als um 1 Uhr noch ein leicht angehei-terter Hoemke mit seinem Mechanix-Kumpel auftauchte. Es folgte ein unglaublicher Mix aus schwyzerdüütsch, ostdüütsch, schwäbisch und kölsch. Der (oder das?) Hoemke prognostizierte, dass er am nächsten Morgen keine Prüfstandsmessungen durchzuführen gedenke, vielmehr wolle er in der Dämmerung zur Ayrton Senna-Schikane wandeln, um dort den Vöglein zu lauschen. Danach würde er zur Jack Brabham-Schikane weiterwandeln und sich dort mit den alten Streckenposten unterhalten. Wir lachten uns scheckig.
Normalerweise gehe ich ja immer um 2 Uhr ins Bett, aber in jener bedeutsamen Nacht musste ich bis 3 Uhr ausharren...
Lustigerweise erwachte ich bereits um 6.30 Uhr und freute mich mal wieder über einen sonnigen Tag at the races. Ich fühlte mich herrlich und war froh, dass ich dem Antizünd getrotzt und kein Bier zu mir genommen hatte.
Um 8.55 Uhr war das erste freie Training angesagt. Es war wie immer ein herrliches Gefühl, nach Wochen der Zündabstinenz aus der Boxengasse zu fahren und die Strecke mit einem Wheelie zu begrüßen! Der Motor lief sehr geschmeidig und gut - kein Vergleich zu meinem alten 625er, der nur knapp über 60 PS gedrückt hat.
Komischerweise bremste meine Bremse nicht wie gewohnt, und ich musste conanöse Handkräfte aufbringen, um redlich verzögern zu können. Meine Reifen waren auch nicht mehr die Besten, war ich doch damit schon die Veranstaltung in Oschersleben gefahren. Trotzdem pendelten sich die Rundenzeiten bei erhöhtem Verkehrsaufkommen (37 Starter!) auf tiefem 1:15er-Niveau ein, was mich doch ein wenig überraschte, da ich gefühlsmäßig noch sehr weit von einer optimalen Runde entfernt war.
Tatsächlich war ich in dem Training dann Schnellster mit einer 1:15,2, vor meinem schwäbischen Brennbruder Schwende (Wendelin Schwendemann) mit einer 1:17 und dem Späterbremser Achim Hagel (ebenfalls 17er).
Ich war mir sicher, dass Schwende das noch viel besser kann und freute mich auf das erste Zeittraining um 12.
Die Reifen ließ ich nochmal drauf und hoffte, dass ich das nicht mit einem Sturz bereuen würde. Ich montierte aber vorher noch neue Lucas CAR-Beläge, weil die anderen total verglast waren.
Nach 2 weiteren Prüfstandsläufen hatten wir 63,6 PS, was uns koreativ erschein, und wir beschlossen, es dabei zu belassen.
Gegen Mittag traf dann noch meine Schwester ein, die sich mal wieder ein paar Nervenzellen zerstören wollte. Sie ist immer ziemlich aufgeregt wenn ich fahre - ich weiß nicht warum...
Ich hatte mich gerade an ihren augenschmeichelnden Anblick gewöhnt, als plötzlich der Chef auftauchte. Auch er sah fürchterlich aus - er und Maddie nahmen sich da gar nix! Ich finde es wirklich seltsam, dass Aufzünder immer so schlecht aussehen...
Im Zeittraining hatte ich dann einige haarsträubende Momente - 2 mal musste ich bei Vmax einen Stoppie hinlegen, weil mir ein Wemser die Tür vor der Nase zugehauen hatte, und dann hatte ich noch 2 brutale Rutscher, einer davon der Heftigste, den ich bisher mit der KTM erleben durfte. Ich wollte eingangs Start/Ziel an einem anderen außen vorbeigehen, als der BT090-Holzreifen plötzlich keinen Bock mehr hatte und beschloss, einen Ausflug nach Links zu machen. Ich stand also mind. 20 m komplett quer und sah mich schon im Kies liegen, aber ich stellte mich dann instinktiv in den Rasten auf, woraufhin sich die Oma wieder fing und ich mit leicht erhöhtem Blutdruck weiterfahren konnte.
Naja, jedenfalls war ich nicht schneller gewesen als im freien Training am Morgen und war mir ziemlich sicher, dass Schwende noch Zeit gefunden hatte.
Die Zeitnahme bestätigte meine Vermutung - Schwende mit 1:15,2irgendwas auf der provisorischen Pole, ich mit 3 Hundertstel Rückstand auf 2. Der Dritte hatte schon mehr als 1,5 sek Rückstand, und ich fragte mich, ob die alle nur blufften oder einfach nur zu viel Blähstoff getrunken hatten.
Zum 2. Zeittraining montierte ich auf Anraten von Rainer Kopp, Bernd Dietrich und mehrerer Personen, die den Rutscher im 1. gesehen hatten, neue Reifen, nahm mir aber vor, im Training nur 2 Warmfahr-Runden und dann noch 2-3 schnelle Runden zu fahren, um die Reifen bei den höllischen Temperaturen nicht schon vor den Rennen zu ruinieren.
Der Plan funktionierte gut, und nach einer fast freien Runde sah ich eine 1:14,7 auf dem Laptimer, was mir ausreichend erschien. Eine Sekunde wäre sicher noch drin gewesen, aber ich hob einfach faul die Hand und fuhr raus.
Die Zeit reichte für die Pole, Schwende konnte sich nicht mehr verbessern und erbte Platz 2.
Auf 3 stand Michael Werner, der aber leider mehr als 2 sek. Rückstand hatte. Ich stellte mich auf einen leckeren Zweikampf mit Schwende ein, den ich dann auch in Lauf 1 bekommen sollte.
Ich kam gut vom Start weg, presste mich gleich in der ersten Rechts außen an Blitzstarter Michael Werner vorbei und konnte wegziehen. In der Sachskurve blickte ich mich um und sah, dass ich schon 50 m Vorsprung hatte, weshalb ich mich gleich zu einem kleinen Wheelie über die Kuppe nach der Sachs hinreißen ließ.
Schwende schien sehr schlecht gestartet zu sein, und so konnte ich in den ersten paar Runden trotz einiger Scharmützel zur Unterhaltung der Zuschauer einen großen Vorsprung herausfahren. Nach einiger Zeit sah ich, dass mein Freund Schwende nun doch langsam näher kam, und da ich zu ihm keinerlei Konkurrenzgefühle aufbauen kann und ich immer sehr gern mit ihm fahre, freute ich mich auf ein besinnliches und spannendes Rennende.
Eine Runde vor Schluss war er direkt hinter mir, nun sollte er mal versuchen, vorbeizugehen, hehe. Mit einem Haifischgrinsen auf den Lippen beschleunigte ich auf die Zielgerade und sah 3 zu Überrundende vor mir. Uuuups, das würde schwierig werden. Ich setzte mich beim An-bremsen neben den Letzten der 3 und wollte innen reinstechen, aber er hatte mich und die blauen Flaggen leider nicht gesehen und zog frech nach rechts. Ich musste wieder voll in die Eisen und zurück in den 2. Gang, während ich die Nordkurve normalerweise voll im 4. nehme. Ich konnte rechts von mir noch kurz ein Stück Kuhfell aufblitzen sehen, dann war Schwende schon auf und davon. Auf der Kurzanbindung schnappte er sich die beiden anderen Wemser noch, ich schaffte leider nur 2, dann hing ich in der Schikane hinter Jockey fest und Schwende entschwand im Motodrom.
Nun denn, ich freute mich für Schwende, der endlich mal einen Sieg verdient hatte, nachdem er dieses Jahr wirklich vom Antizünd verfolgt war, machte noch ein paar Wheelies, und bereitete mich gerade auf den finalen Wheelie vor, als ich sah, dass die Duke von Schwende im Kies am Ende der Opelkurve lag. Er hatte wohl gedacht ich wäre noch direkt hinter ihm und hatte es übertrieben.... da soll nochmal einer sagen man soll sich in der letzten Runde nicht mehr umschauen....
Zum Glück schien er sich nicht verletzt zu haben, ich konnte mich über den Sieg aber nicht wirklich freuen.
Der Prüfstandslauf ergab 64,9 PS, was mich doch etwas verwunderte, weil die Mühle bei der Hitze und nach dem Rennen eigentlich weniger hätte haben müssen....
Tja, manchmal muss man auch Glück haben - 0,1 PS mehr und ich wäre diqualifiziert worden.
Zu meinem Entsatz sagte mir Schwende dann später, dass er den 2. Lauf nicht mehr mitfahren werde, weil die Duke ziemlich verschraddelt sei.
Eine Farce. Ich war traurig wie ein kleines Kind, dem man seinen Spielgefährten weggenommen hat....
Zur Ablenkung schaute ich mir das Sprintrennen der Klasse 5 der Seriensport-DM an, wo ich gerne auch mitgefahren wäre, es aber dann verworfen hatte, weil ich am Montag noch in Oschersleben die Langstrecken-Superduke testen musste, und dazu nicht als Halbleiche er-scheinen wollte.
Die ersten 3 fuhren in ihrer jeweils schnellsten Runde 1:15zerquetscht, ab Rang 4 waren es 17er-Zeiten. Ich tadelte mich ein wenig weil ich nicht mitgefahren war, schwor mir aber, dies bei Gelegenheit nachzuholen.
Der Start zum 2. Lauf war eine Kopie des 1. - Michael Werner ging an mir vorbei, ich konterte in der Nordkurve außen auf den Curbs und zog weg.
Da ich langweilige Rennen ohne Spielgefährten hasse, beschloss ich, meine Laune durch Wheelies aufzubessern. Der Motor ging untenrum so gut, dass ich die Oma eingangs Motodrom im 4. aufs Hinterrad stellen und die Sachskurve anwheelen konnte, ohne viel Zeit zu verlieren (ich konnte dort sogar einige Menschlinge beim Überrunden zerwheelen...

Da die anderen sich weigerten, näher zu kommen, streute ich auf der Zielgeraden noch 2 längere Wheelies ein, die sogar dem Rennleiter zu gefallen schienen, der mir lachend den Daumen zeigte (vor 2 Jahren wäre ich für ein ähnliches Vergehen mal fast disqualifiziert worden

In der Auslaufrunde tat ich dann noch etwas für die Kautschukindustrie in Südmalaysia und brennauste die Sachskurve noch ein bisschen, was verdammt schwierig ist, weil sie echt brutal nach innen hängt und man den Lenker bei einem rollenden Brennaus dick nach links einschlagen muss um einen geraden Strich zu schaffen.
Der Prüfstand sagte diesmal 64,6 PS, und ich konnte mir danach das obligatorische Chill-Out-Korea mixen. Natürlich bekamen Ralph, Maddie und der Chef auch noch ein Tässchen, und nach der Siegerehrung packten wir zusammen und verließen das Schlachtfeld.
Die anderen fuhren nach Hause, ich zog weiter gen Osten, zu einem anderen Schlachtfeld, einem Ort wo sich verwandte Seelen treffen, diesseitige und jenseitige, um gemeinsam blankzuziehen: Oschersleben.