Es war 8.00 Uhr am Samstag, dem 02.10.2004. Ich befand mich auf dem Beschleunigungsstreifen der A 7 bei Kempten. In der vorangegangenen Nacht hatte ich bis halb drei auf unserer Baustelle geschuftet und dann sicherheitshalber noch bis um 6 an meiner 750er-Suzuki rumgeschraubt, den T4 aufzündgerecht (oder zumindest das was ich darunter verstand) vorbereitet und mich dann noch eine halbe Stunde ins Bett gelegt.
Folglich war ich nicht unbedingt ausgeschlafen als ich die lange Reise in den Norden antrat, um meinen HBB (Herbrennbruder) Hajo von der schweren Bürde einer herrlich schwarzen CBR 1000 RR zu befreien, die ich gegen die 750er einzutauschen gedachte.
Traditionell öffnete ich auf dem Beschleunigungsstreifen die Flasche schwarzen Beam (in den good ol days waren es noch Dosen...), schickte ein Prost in den Himmel und pries das Leben ob seiner Schönheit, die es mir immer wieder darbot. Der erste Schluck war wie immer ein Labsal für Körper und Seele, und derlei gestärkt machte ich mich auf, den heiligen Schal in der Doppelgarage von Hajo zu finden (die Doppelgarage hatte die Familie Ammermann einst in der hehren Absicht erbaut, darin, wie in spießbürgerlichen Kreisen üblich, 2 Personenkraftfahrzeuge vom Typ Pillemannkäfig zu garagieren - doch diese Absicht fiel dem Aufzünd- und Schraubfetisch von Hajo zum Opfer, weswegen sich in besagter Garage noch nie ein PKW befand, sondern unisono Motorräder und Regale mit Werkzeug und Ersatzteilen - ein Bild für die Götter.......).
Ich kam gut voran, und erblickte um 12.45 Uhr gleich nach der von Hajo angegebenen Autobahnausfahrt ein Ortsschild mit der Aufschrift „Salzderhelden“ - unwillkürlich musste ich hysterisch lachen und spuckte in meiner Agonie ein Stück Schokolade des gerade halbverspeisten Magnum-Classic-Eises auf meine Jeans. Ich erwartete voller Spannung die folgenden Ortschaften - sicherlich würde ich bald in Pfefferderschwuchteln sein, oder sogar in
Salzaufunsererhaut.
Doch die weiteren Orte verhielten sich unauffällig und um 13.34 Uhr konnte ich endlich den dicken Hajo wieder in meine muskulösen Arme schließen.
Er führte mich sogleich in seine Doppelgarage. Beim Anblick der Fireblade stockte mir der nach Bourbon und Vanille riechende Atem. Sie war so wunderschön. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Wir schraubten noch ein bisschen an ihr rum, wie man das bei schönen Sachen gerne macht, und versuchten, ihr einen höheren und weiter nach außen gedrehten Lenker zu verpassen, den ich langes Elend unbedingt brauchen würde, um die Blade würdig zu reiten.
Beim Abbau des futuristischen Lenkungsdämpfers ließ der ungeschickte Mechanix Hajo eine Schraube in den Motorraum fallen, die er nicht wiederfand. Ich fragte mich, ob dieses Zusatzgewicht mich bei der Zeitensuche am Sonntag behindern würde.
Den Böckers-Stummel konnten wir auf die Schnelle jedoch nicht anbauen, weil Kupplung und Bremse böse an der Verkleidung anstanden und Lenkanschläge nicht in Sicht waren.
Mein Versuch, die Fußrastenadapterplatten der GSX-R zu montieren, damit ich wenigstens die rasten weiter nach hinten kriegen würde, verlief ebenfalls negativ, und so war ich zwar guter Dinge wegen der exorbitanten Schönheit der Blade, bezüglich ihrer Fahrbarkeit für mich als Dachrinnensäufer jedoch eher pessimissionistisch.
Nach einem imaginären Abschiedskorea verabschiedete ich mich von Hajo und seiner lieben Familie und machte mich auf die Weiterfahrt zum Schlachtfeld der Ehre in der Eifel - dem Nürburgring.
Dort sollte am Sonntag ein Training von MO-inteam stattfinden, das mir Gelegenheit gab, die kleine Schwarze ausgiebig zu testen.
Im Verkehrsfunk war von einem Riesenstau bei Frankfurt die Rede, weshalb ich mich entschloss, über den Ruhrpott zu reisen. Ich telefonierte noch mit Nixbremser Bernd, der mir mitteilte, dass er die Box bereits bezogen hatte und mein Ankommen erwartete. Doch soweit sollte es an diesem Abend nicht mehr kommen. Um 20.00 Uhr kam das Sandmännchen und streute mir frecherweise Sand in die Augen. Das wäre nicht so schlimm gewesen, aber weil ich Kontaktlinsen trug, setzte sich der Sand fest und sandte mir eine nicht enden wollende Müdigkeit.
Seltsam, ich hatte doch ausreichend lang geschlafen.
So fuhr ich auf einen Parkplatz, hoffte dass sich dort - so nahe bei Köln - nicht allzu viele Andersufrige aufhielten, die unschuldigen Aufzündern auflauerten um ihnen die Rektaljungfräulichkeit zu stehlen, und schloss die Augen.
Um 6 Uhr weckte mich ein bellender Hund und ich fuhr frohen Mutes weiter Richtung Nürburg.
Der Blade schien es auf meinem Hänger nicht so gut zu gefallen, und ich versprach ihr, sie bald loszubinden und ihr freien Auslauf zu gewähren.
Ich fuhr also frohen Mutes im heraufdämmernden Tag auf der Landstraße, als mir kurz vor Ahrbrück plötzlich und ohne Vorwarnung durch ein eventuelles Schild eine krasse Rechtskurve vors Auto sprang.
Ich sah mich im Geiste schon mitsamt Hänger und Blade auf der Wiese liegen und trat voll in die Eisen. Das konnte niemals gut gehen - ich war mit ca. 100 auf der Geraden unterwegs gewesen (jaja, leicht zu schnell...) und sollte nun eine 90 Grad-Kurve kriegen, die, wie mir periphär ersichtlich wurde, sofort in eine 90 Grad-Links überging.Instinktiv zog ich noch die Handbremse, hatte aber innerlich schon aufgegeben. Ich wartete darauf, dass der Hänger wegdriftete und den Bus mit sich zog.
Ich weiß nicht wie, aber plötzlich waren wir wieder auf der folgenden Geraden - und alles war noch ganz. Ich kann es mir nur so erklären, dass der Hänger durch die Vollbremsung derart Druck auf die Hinterachse des T4 gebracht hat, dass die Hinterräder nicht wegrutschen konnten. Keine Ahnung, jedenfalls wird ich der Firma Ansselm mal ein Dankesschreiben schicken.
500 m nach der Todesschikane erblickte ich ein riesiges Schild. Darauf stand: „GEFÄHRLICHE KURVE!!!!!!!!“. Die folgende, weitfließende Rechtskurve war im Vergleich zur Todesschikane ein kleiner Spaß am Rande.
Ich schwor mir, den Straßenwart, der dieses Schild aufgestellt und das andere wohl schlicht vergessen hatte, bei nächster Gelegenheit mit einem plumpen Gegenstand zu töten.
Um 7 Uhr erreichte ich das Lager der Aufzünder. Irgendein Pillemann sagte mir, ich sähe blass aus........
